Abstinenz und Tränen

Und wie ist deine Gefühlslage so? Modulierender Tipp der Woche #bloggerfuerfluechtlinge

OMG: Meine Nachbarn klagen (erfolgreich) gegen Flüchtlinge

OMG: Meine Nachbarn klagen (erfolgreich) gegen Flüchtlinge

Nimby reloaded

Wenn es erstmal am Kreisen ist, ist so ein Gefühlskarussell ja kaum zu stoppen. Immerhin gibt es einen Auslöser: die Fraktion in meinem Wohnviertel, die Angela Merkel beweisen will, dass wir es NICHT schaffen, hat einen juristischen Sieg errungen. Sie haben geklagt und ein Hamburger Verwaltungsgericht verfügt Baustopp – juhu! So schnell wird es also in der Nähe dieser 200 Gutsituierten, die sich plötzlich in »Kessellage« zwischen Friedhof und Alsterlauf wähnen und meinen, eine Folgeunterbringung für 700 Flüchtlinge und Obdachlose käme der Errichtung eines »Ghettos« gleich, kein Containerdorf geben (möglicherweise ein Etappensieg, doch er zeigt, wie sie ticken: siehe auch not in my backyard).

Über das Fremdschämen

Schon dreht sich das Karussell. Unmittelbares Gefühl: Scham. So in Richtung Fremdschämen. Das ist blöd. Warum sollte man stellvertretend etwas fühlen, was andere nicht fühlen? Ich finde es unverschämt, so zu tun, als sei man um das Wohlergehen von Flüchtlingen besorgt, wenn es in Wirklichkeit um den Wiederverkaufswert von Immobilien geht. Diese Leute sind Heuchler. In demütiger Wort- und Körpersprache behaupten sie, »nichts gegen Flüchtlinge zu haben« – nur sollen es eben nur einige wenige sein, wie es die CDU-Bezirksabgeordnete als Marschroute ausgegeben hat und »Pro Asyl« es sowieso für das Ideal hält. Oder, und zu diesem Argument lächeln sie ein bisschen schief, käme die Politik endlich zur Vernunft, sollten nicht Flüchtlinge und schon gar keine Obdachlosen herziehen, sondern Familien mit Kindern, selbst bei geändertem Bebauungsplan bliebe Bullerbü so intakt. »Ist doch legitim, wenn die Leute ihre Eigeninteressen vertreten«, sagt die Sozialarbeiterin meines Vertrauens. Mag ja sein. Aber ist es human? Können wir uns vielleicht mal zu einer höheren Stufe des Menschseins aufschwingen?

V wie Vendetta

Auf die Scham, das muss man ehrlicherweise zugeben, folgt die Wut. Da brodelt das Adrenalin, da erwacht das Reptilienhirn.  Hmm? Könnte man diesen Leuten irgendwie zu verstehen geben, dass auch ihr Eigentum verpflichtet?  Zum Beispiel durch

Bildschirmfoto 2015-10-29 um 10.15.50

??? Nein, könnte man nicht. Auch wenn die Sopranos im Regal gleich neben der Bibel stehen – den erreichten Grad an Anstand möchte man nicht verlassen. Siehe Angela Merkel. Die sitzt ihre renitente CDU-Basis einfach aus, davon sollte man sich eine Scheibe abschneiden.

Abstinenz ist die Antwort

Also wie jetzt? Wie kriegt man seine destruktiven Gefühle unter Kontrolle, wie steigt man ab vom Karussell? Nun (liebe Kinder gebt fein acht…), nein, im Ernst, das ist doch ganz einfach: drückst du den Ausschaltknopf an Fernseher, Radio, Rechner, Handy, und gehst du am Kiosk ohne Tageszeitungkaufen vorbei. Lässt du dir keine Gefühle triggern von anderen und hängst dir stattdessen den kategorischen Imperativ übers Bett. Bleibst du abstinent, redest nicht, handelst stattdessen,  postest es auf FB und schweigst. Ja. So müsste es gehen.

Witzeln hilft #bloggerfuerfluechtlinge

Witzeln hilft #bloggerfuerfluechtlinge

PS: Unter Fremdscham und Rachewut liegt natürlich noch ein drittes, der Flüchtlingskrise angemessenes Gefühl: die Trauer. Bei dem weltweit gestreamten Workshop, den Otto Scharmer vor einigen Wochen abhielt, standen die beiden Worte »world« und »dying« an erster Stelle. Trauer wird durch das Gefühl der Ohnmacht noch verstärkt. Sie ist, von allen erwähnten, das unangenehmste und schmerzvollste Gefühl. Man möchte sie abwehren, gern mit Mitteln der Ironie. Aber das ist nicht so leicht. Ich versuch’s trotzdem mal: »Heul doch«! Hahaha. Aber im Ernst: Aus psychohygienischen Gründen sollte dieser Satz nicht als Witz, sondern als Aufforderung verstanden werden. Sagen ja auch die Psychologen: lass laufen, die Tränen.  Abstinenz UND Tränen. Ja. So geht das vielleicht.

 

 

Und hier die Links:

Hechel, hechel: wer sind die Kläger, wo kann man ihre TV-Auftritte sehen, wo ist ihre Website? Nirgendwo, mein Freund! Aus Publizitätsverweigerungsgründen

Ein verlässliches Antidepressivum ist übrigens Hypericum-Urtinktur von Ceres

Veröffentlicht am 30.10.2015

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert