Hast du Adrenal Fatigue?

Drohen sie zu ermüden, wird’s höchste Zeit, die Nebennieren aufzupäppeln. Hashtag Adrenal Fatigue beziehungsweise Nebennierenunterfunktion

Salt, Sugar, Sex

Mediziner merken sich die Funktion der Nebennieren mit den Worten Salt, Sugar, Sex. Die Eselbrücke trifft es. Denn die Drüsen regeln unseren Mineralstoffhaushalt (Salt). Versorgen unseren Körper mit schneller Energie (Sugar). Und sie produzieren Geschlechtshormone (Sex). Obwohl sie direkt auf den Nieren thronen, ist ihre Lage eher zufällig. Mit der Funktion der Nieren haben die Nebennieren nur indirekt zu tun. Bei Neugeborenen sind sie fast ebenso groß wie bei Erwachsenen. Der Grund ist verblüffend: Im Mutterleib erzeugen die Drüsen Steroide, welche in der Plazenta zu Östrogenen und Progesteron umgewandelt werden. Auf diese Weise trägt das Ungeborene selbst zum Erhalt der Schwangerschaft bei. Nach der Geburt schrumpfen die Drüsen um die Hälfte, wachsen dann aber in der Kindheit wieder heran.

Adrenalin und Cortisol

Dieser Beitrag beschäftigt sich vorrangig mit den Nebennierenhormonen Adrenalin und Cortisol. Beides sind so genannte Stresshormone. Dabei ist Adrenalin zuständig für die akute Lebensgefahr.  Kreist Adrenalin in unserem Blut, heißt es »flight or fight«, entweder flüchten oder kämpfen. Anders hingegen das Cortisol. Entwicklungsgeschichtlich ist es zu unserem Schutz gedacht. Eigentlich. Cortisol stellt uns tagein, tagaus Energie zur Verfügung, indem es Körperfett mobilisiert und den Blutzuckerspiegel stabilisiert. Außerdem hilft es, Entzündungen zu bekämpfen. Ein gesunder Cortisolspiegel ist morgens relativ hoch, sinkt im Laufe des Tages ab und steigt gegen zwei Uhr nachts wieder an. Jetzt das Problem: Cortisol übernimmt überdies im Körper die Rolle des langfristig »denkenden« Krisenhormons. Unseren Vorfahren hat es über so manche Hungersnot hinweggeholfen, indem es den Stoffwechsel auf Sparflamme stellt. In Zeiten (und Breiten) des Nahrungsmittelüberflusses wird uns das leicht zum Verhängnis.

Aus dem Baustoff Cholesterin stellen die Nebennieren Botenstoffe (Steroide) her

Aus dem Baustoff Cholesterin stellen die Nebennieren Botenstoffe (Steroide) her

Der Preis von Stress

Als Jürgen von der Lippe 1987 seinen Hit »Guten Morgen, liebe Sorgen (seid ihr auch schon alle da)« veröffentlichte, ahnten wir nicht, was in den kommenden zwanzig Jahren auf uns zukommen würde. Flexibilisierung, Prekarisierung, Gentrifizierung: You know what i mean. Doch es müssen nicht immer Existenzsorgen sein, die unseren Cortisol-Spiegel in ungesunde Höhen treiben. Es reichen schon Beziehungsstress, Perfektionswahn oder die Lebensangst, die die politische Weltlage in uns schürt. Gerät das Cortisol dauerhaft aus dem Tagesrhythmus, bezahlen wir das zunächst mit Schlafstörungen. Ist der Spiegel im Blut längere Zeit erhöht, lagern wir in der Körpermitte Fett ein. Sind die Nebennieren jedoch über Jahre im Stress, beginnen sie allmählich zu ermüden. Infolgedessen reduzieren sie die Hormonproduktion. Und es kommt zur Adrenal Fatigue, der Nebennieren-Erschöpfung oder -unterfunktion.

Adrenal Fatigue – das unbekannte Leiden

Im Studium lernen Ärzte lediglich die Krankheitsbilder Morbus Addison oder Morbus Cushing. Bei Letzterem produzieren die Nebennieren zu viel Hormone, beim Ersteren zu wenig. Dass es überhaupt eine Unterfunktion der Nebennieren gibt, wird von der Schulmedizin eher ignoriert. Allerdings beginnt sich das – nicht zuletzt wegen der Zunahme von Burnout und Depressionen – allmählich zu ändern. Nach und nach werden die  Zusammenhänge zwischen Dauerstress und Hormonantwort erkannt. Das Hauptsymptom der Nebennieren-Unterfunktion ist die chronische Erschöpfung. Außerdem werden Allergien, Gelenkschmerzen und eine erhöhte Infektanfälligkeit beobachtet. Weil die Nebennieren kaum noch Progesteron ausschütten, den Gegenspieler des Östrogens, leiden Frauen unter PMS (prämenstruelles Syndrom). Um überhaupt über den Tag zu kommen, trinken viele Betroffenen Unmengen von Kaffee, Cola oder Energy-Drinks. Keine gute Idee! Das Coffein macht weder wach, noch leistungsfähig, sondern erschöpft die Nebennieren nur noch stärker. Hallo Teufelskreis.

https://de.wikipedia.org/wiki/Morbus_Cushing

Nebennieren können nicht zwischen wirklich lebensbedrohlichem und nur gefühltem Stress unterscheiden

Was tun?

Noch gibt es sehr wenige auf Endokrinologie spezialisierte Ärzte, die sich mit einer Nebennieren-Unterfunktion beschäftigen. Zum Einstieg sehr empfehlenswert ist ein kleiner Patienten-Ratgeber von Dr. Joachim Strienz. Es heißt »Nebennierenunterfunktion – Stress stört die Hormon-Balance« und ist im Verlag Zuckschwerdt erschienen. Ein zweiter Buchtipp ist »Das Stoffwechsel-Geheimnis« von Dr. Libby Weaver, erschienen bei TRIAS. In beiden Büchern wird betont, dass es zur Behebung einer Adrenal Fatigue vor allem auf Entspannung und die Neuausrichtung des Gefühlshaushalts ankommt. Für mich persönlich neu ist dabei die Wichtigkeit der Bauchatmung. Zitat Dr. Weaver: »Lange, langsame Atemzüge, die das Zwerchfell bewegen (die so genannte Bauchatmung), teilen Ihrem Körper mit: Hier ist alles entspannt, ruhig und sicher, es droht keine Gefahr.« Das, so die Biochemikerin, sei die wirksamste, billigste und leichteste Maßnahme, um aus der Cortisol-Falle zu entkommen.

Was hilft noch?

  • Schlaf – möglichst vor 23:00 Uhr, bevor der Tiefpunkt der Cortisoltagesproduktion erreicht ist
  • Bewegung – alles, was entspannt; interessant ist zum Beispiel die Yoga-Asana Prasarita-Padottanasana, die Vorbeuge im weiten Spreiz aus dem Hormonyoga
  • Kaffee weglassen – grüner Tee ist okay (falls du ihn verträgst)
  • Aswhagandha – man sagt der Schlafbeere Withania somnifera eine adaptogene, sowohl beruhigende als auch tonisierende Wirkung nach
  • Ginseng – eher für Männer als für Frauen geeignet, laut Strienz kommt es bei längerer Einnahme zum Anstieg männlicher Hormone

To be continued ….

Und hier die Links:

Leseprobe aus dem Buch Nebennierenunterfunktion von Joachim Strienz

Für die des Englischen mächtigen Userinnen und User hier eine Super-Darstellung der Problematik

Veröffentlicht am 08.06.2017

2 Gedanken zu „Hast du Adrenal Fatigue?

  1. Häs

    Sehr geehrte Damen und Herren Versender dieser Email!
    Herzlichen Dank für diese trefflich-differenzierte Email, die mir mitteilt, was ich z.T. brauche.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Wilma Häs

    Antworten
  2. Shivani Vogt

    Oh ja, vor Jahren hätte ich mir gewünscht, dass ich auch so einen Blogartikel finde. Denn meine waren auch erschöpft. Und das Wissen darum haben mich wirklich sehr weiter gebracht. Aber noch mehr weiter brachte mich das Wissen, worin die Bedrohung lag, was mein NN ständig hat auf Hochtouren laufen lassen. Diese war nämlich – die Überraschung war groß – in meinem eigenen Inneren. „Die Welt ist ein bedrohlicher Ort“ war einer meiner Glaubenssätze. Was für eine Befreiung – denn die kann man ändern.

    Antworten

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