Es gibt sie noch

Viele Lichtblicke beim Züchtungs- und Sortentag der Bingenheimer Saatgut AG – aber auch viel Alarmierendes

Mit Ilona Ebel leitet Gerd Boll den Biolandhof Großholz - und begrüßt die Gäste beim Züchtungs- und Sortentag 2015

Mit Ilona Ebel leitet Gerd Boll den Biolandhof Großholz – und begrüßt die Gäste beim Züchtungs- und Sortentag 2015

Rund 120 Gäste - in der Mehrheit Gärtner - waren der Einladung der Bingenheimer Saatgut AG gefolgt

Rund 120 Gäste – in der Mehrheit Gärtner – waren der Einladung der Bingenheimer Saatgut AG gefolgt

Michael Fleck, Geschäftsführer von Kultursaat e.V., skizziert eine unheilvolle Entwicklung - auch (und gerade) für Käufer von Bio-Gemüse

Michael Fleck, Geschäftsführer von Kultursaat e.V., skizziert eine unheilvolle Entwicklung – auch (und gerade) für Käufer von Bio-Gemüse

Eine gute Gelegenheit, mal hinter die Kulissen des Bio-Gemüseanbaus zu schauen: am 26.8. 2015 luden Kultursaat und die Bingenheimer Saatgut AG zum Züchtungs-und Sortentag ein. Rund 120 Leute haben sich auf dem Bioland Hof Großholz bei Eckernförde versammelt. Bevor sie über die Anbauflächen für Bio Freilandgemüse streifen, schildern Michael Fleck und Barbara Maria Rudolf die Lage. Es sieht nicht gut aus. Fleck, Geschäftsführer von Kultursaat – Verein zur Züchtungsforschung, skizziert die voranschreitende globale Konzentration im Saatgutmarkt. Kauft Monsanto den Marktzweiten Syngenta? Oder kommen am Ende vielleicht doch noch BASF oder DOW Chemical zum Zug? Es darf weiter spekuliert werden.

Barbara Maria Rudolf, Vorsitzende des Vereins Saat:gut e.V. - Mitglieder sind Landwirte, Saatgut-Händler, Bioland, Pflanzenzüchter, Großhändler, Einzelhändler und Privatpersonen


Barbara Maria Rudolf, Vorsitzende des Vereins Saat:gut e.V. – Mitglieder sind Landwirte, Saatgut-Händler, Bioland, Pflanzenzüchter, Großhändler, Einzelhändler und Privatpersonen

Barbara Rudolf vertritt den  Förderverein zur Entwicklung und Durchführung ökologischer Pflanzenzüchtung Saat:gut . Sie plädiert dafür, dass Gentechnik über den Ökolandbau hinaus verboten wird: grundsätzlich und weltweit.  Eine Koexistenz zwischen gentechnisch verunreinigtem Saatgut und gentechnikfrei gewonnenem Saatgut wird es im Freiland nicht geben. Es erscheint wie blanker Hohn, aber auch wie eine Bestätigung der besorgten Öko-Pflanzenzüchter, was der Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie Ralph Bock dazu schreibt: »Im Zeitalter der »Genome-Editing»-Technologien werden gentechnische Veränderungen zunehmend ununterscheidbar von natürlich entstandenen Erbgutveränderungen sein.«  (Link unten)

Du sollst nicht merken

»Genome-Editing», was ist da so am Start? Google einfach mal Cisgenetik oder Zinkfinger-Nuklease-Technik, Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese, Reverse Breeding, Floral Dip oder RNAi-Technologie*. Ziel der Konzerne ist offenbar, ihren immer tiefer werdenden Eingriff ins Erbgut zu verschleiern, die Widerstände von Gesetzgebern und Verbrauchern zu brechen und die Abhängigkeit von Saatgut und Agrochemie – beides kommt ja zumeist aus einer Hand –  noch auszuweiten. In Europa »besitzen» Syngenta und Monsanto 71 % aller geschützten Blumenkohl-Sorten, bei Tomaten beträgt der Anteil 62 % – siehe dazu die Erklärung von Bern.

Seltener Anblick: Honigbiene und Schmetterling. Wenn erst Monsantos RNAi Technologie um sich greift, könnte er noch seltener werden

Seltener Anblick: Honigbiene und Schmetterling. Wenn erst Monsantos RNAi Technologie um sich greift, könnte er noch seltener werden

Alles Bio-Gemüse wird automatisch aus ökologischem Saatgut gezogen? Welch ein Irrtum! Auch im Bioladen stammen viele Sorten zunehmend aus Hybridzüchtung. Versucht man aus deren Samen neue Pflanzen zu ziehen, erlebt man eine böse Überraschung. Sie sind nicht samenfest . Die Nachkommen fallen ganz anders als die Eltern aus;  falls die Samen nicht von vornherein unfruchtbar waren. Besonders gut erklärt findet man das übrigens hier:  bei der Öko-Regional-Initiative Nord.

Wir können auch anders

Eine Pastinake, die auch roh klasse schmeckt. Porreepflanzen, deren Laub aufrecht stehen bleibt. Ein Salat, der Frost und Mehltau widersteht. Es war spannend, beim Züchtungs- und Sortentag die Perspektive von Züchtern und Erwerbsgärtnern kennen zu lernen. »Kleine, exotische» Sorten wie der Rettich Laurin, die Mairübe Di Milano a colleta viola oder der Schwarzkohl Nero die Toscana seien eher für die Direktvermarktung geeignet, heißt es. Für den Großhandel wiederum spielen Lagerfähigkeit eine Rolle oder die Frage, wieviel Blumenkohl in eine Norm-Kiste passen (6, 8 oder 11). Der Umgangston ist entspannt und solidarisch. Man teilt sein Wissen bei regelmäßigen Treffen. Und die in jahrzehntelanger klassischer Züchtungsarbeit gewonnen Samen über die dem Netzwerk verbundene Bingenheimer Saatgut AG.

Gärtnern macht glücklich

Meine persönliche Lernkurve? Ich werden künftig darauf achten, ob ich nicht zufällig irgendwo eine Rodelika-Möhre ergattern kann. Ich werde auf dem Markt nachfragen, aus welchem Saatgut der Kohlkopf stammt. Sollte ein Dottenfelder Dauer vor mir liegen, schlage ich sofort zu: seit dem Züchtungs- und Sortentag weiß ich nämlich, wie unfassbar süss und köstlich der schmeckt. Außerdem werde ich nach Jannis jagen,  der roten Beete vom Kugeltypus, gezüchtet von Ute Kirchgässer. Sie soll sehr mild und bestens für Rohkost geeignet sein.

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* Fortsetzung von oben, auch interessant, : TALEN-Technik, Meganukleasen, CRISPR-Cas, RNA dirigierte DNA-Methylierung, Tilling, SMART-Breeding

Und hier die Links:

Bingenheimer Saatgut AG – auch für Hobbygärtner gibt’s Saatgut aus klassischer Züchtung

Hier stellt sich der Biolandhof Großholz bei Eckernförde vor

Ursprünglich im Fachblatt »Laborjournal» veröffentlicht, von der ZEIT des Nachdrucks für würdig befunden

Wer schluckt wen? Spekulationen vom Mai 2015 aus der Schweizer Handelszeitung

Veröffentlicht am 28.08.2015

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