Cashewkerne – und wenn ja, welche?

Schnell ein veganes Eis aus Cashewkernen zaubern? Warum nicht – wenn du bereit bist, dafür Geld in die Hand zu nehmen…

Jede einzeln per Hand geknackt - am besten mit Handschuhen, Mundschutz und Schutzbrille

Jede einzeln per Hand geknackt – am besten mit Handschuhen, Mundschutz und Schutzbrille

Nature’s Answer to Prozac

Leichte Süsse, neutraler Geschmack und cremige Konsistenz, wenn man sie in den Hochleistungsmixer wirft: Cashewkerne gelten als der perfekte vegane Sahneersatz. In Kreisen der Ernährungswissenschaft werden sie zudem als hervorragende Quelle für Tryptophan gerühmt, eine Vorstufe des stimmungsaufhellenden Neurotransmitters Serotonin. 100 g Cashewnüsse enthalten 287 mg Tryptophan und werden dabei nur von Soja mit 590 mg pro 100 g getoppt. Aber im Vergleich: Walnüsse enthalten 300 µg/g Serotonin. In der Kategorie »Nature’s Answer to Prozac« laufen Walnüsse damit Cashews den Rang ab: wie Kakao oder Bananen spenden sie die wahre Substanz ohne Zwischenschritt. Und jetzt die Frage: Spielt es überhaupt eine Rolle, ob Cashews ein »natürliches« Antidepressivum sind? Oder ob sie im Vergleich zu Mandeln rund 3 mg mehr Eisen und 0,4 mg mehr Vitamin B 5 enthalten? Müssten sich ernährungsbewusste Menschen nicht vielmehr dafür interessieren, wie ungeröstete Cashewkerne zum sensationellen Kilopreis von 12,90 € angeboten werden können?

Augen auf beim Cashew Kauf

Die Sozialistische Republik Vietnam ist zugleich der größte Cashew-Exporteur und -Importeur der Welt. In 2015 führte das Land 800 000 000 Kilo ungeschälte Cashewnüsse zur Weiterverarbeitung aus Afrika ein. Aufgrund der Belastung mit Aflatoxinen konnte nicht die gesamte Menge weiterverarbeitet werden. Bei einem Preis von rund 90 € pro 1000 Kilogramm entstand den Importeuren laut der Vietnam Cashew Associaton ein erheblicher Schaden. Seit 2007 hat Vietnam den bis dato größten Cashewkern-Exporteur Indien überrundet. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte nennen vietnamesische Cashewkerne auch »Blut-Cashewnüsse«. Sie fordern zu deren Boykott auf. Grund: In Vietnam werden die Kerne vielfach in Zwangsarbeit produziert – in Haftanstalten oder Rehabilitationslagern für Drogensüchtige. Der Staatskasse trägt das jährlich 1,5 Milliarden US Dollar ein.

Dämpfen, trocknen, knacken, enthäuten

Die Gewinnung von Cashewkernen bedeutet für die Arbeiterinnen und Arbeiter in allen Exportländern härteste und monotone Arbeit. In den steinharten Schalen der Cashewnüsse hat die Pflanze ein giftiges Öl eingelagert. Es schützt den Samen vor Termitenfraß und verätzt bei Kontakt Haut und Augen. Bei der Verarbeitung müssen deshalb idealerweise Handschuhe, Mundschutz und Schutzbrillen getragen werden. Das ist aber bei weitem nicht immer der Fall, wie Menschenrechtsorganisationen berichten. Um die Giftigkeit der Schale zu minimieren, werden Cashews in der Regel gekocht oder in Öl gesotten und nach dem Trocknen mit speziellen Maschinen einzeln und per Hand geknackt. Nach dem Trocknen in Dörrgeräten oder Heißlufträumen werden die Kerne enthäutet und nach Größenqualitäten sortiert. In Afrika schützen sich die Arbeiter mit Öl vor dem Gift der Schalen, andernorts mit mehr oder weniger dicken Handschuhen, wenn überhaupt.

Gibt’s auch rohe Cashewnüsse?

Angesichts des allgemein üblichen Herstellungsverfahrens sind rohe Cashewkerne eine Rarität. Weil es jedoch einen wachsenden Markt für Rohköstler gibt, wird das Unmögliche möglich gemacht. Wie, das zeigen zwei Hersteller auf Youtube: Der Clip von Flores Farm erzählt die Geschichte seiner »kalt geknackten« Cashews. Das Unternehmen hat mit Hilfe der Schweizer Entwicklungshilfe-Organisation Swiss Contact auf der indonesischen Insel Flores eine kleinbäuerlich organisierte Cashew-Ökonomie angestossen. Der Kilopreis für die Cashews von Flores Farm beträgt 35,27 € (online/ohne Versandkosten). Ebenfalls in Indonesien werden die Kerne für Keimling produziert. Der auf Rohkost spezialisierte Versandhändler aus Buxtehude schildert in einem vierteiligen Film jeden einzelnen Schritt der Cashewgewinnung. Keimling berechnet für ein Kilo rohe Kerne 39,75 €.

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Was lernen wir daraus?

Persönliche Lernkurve: Cashewkerne sind Luxus, in mühsamster Kleinarbeit geerntet und verarbeitet. Aber in den wenigsten Produktinformationen wird auf die Gesundheitsgefahren der Cashewproduktion hingewiesen. Unternehmen der Bio-Branche machen da keine Ausnahme. Onlineshops, die «ungeröstete» Cashewnüsse zu einem Kilopreis von rund 13 € anpreisen, täuschen entweder die Verbraucher oder kaufen zu verstörend niedrigen Preisen ein. Am Ende sind wir es, die mit ihrem Konsumverhalten ein wenig die Weichen stellen können. Im Vertrauen darauf, dass von dem guten Gewissens gezahlten Höchstpreis auch wirklich ein angemessener Lohn für die Arbeiterinnen und Arbeiter rausspringt, zaubern wir  in Sekundenschnelle ein veganes Eis. Vielleicht klopfen wir uns dabei sogar auf die Schultern, weil wir für unseren Genuss keine Hochleistungsmilchkuh ausgebeutet haben… das lassen wir mal so stehen. Doch seht selbst:

Die Cashew, das unbekannte Wesen

Beispiel Cashewkern-Produktion, Elfenbeinküste

Und hier die Links:

Hier der Blogbeitrag 23. Juni 2016, in dem die Vietnam Cashew Association eine App zur Früherkennung von Aflatoxinen fordert

Cashew bei Wikipedia

Mandeln vs. Cashewnüsse: Buffcoach hat sich die die Mühe gemacht, und beider Inhaltsstoffe verglichen

Studie Nature’s Answer to Prozac des 2006 verstorben Biochemikers James South, M.A.

Tortengrafik: Cashew-Export aus Vietnam. Im Vergleich dazu die Zahlen aus Indien

Du willst mehr über die Studie von Human Rights Watch wissen? Hier außerdem die Presse-Info der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte(IGFM)

Ethisch vertretbare Arbeitsbedingungen werden auf der »Weißen Liste« der IGFM als Sedex SMETA-zertifiziert vorgestellt. Aber auch Nestlé, Unilever und andere Konzerne machen sich das Label zu eigen – hmmm….

Longread: Im Land der edlen Nüsse via Deutschlandfunk

Veröffentlicht am 26.06.2016

6 Gedanken zu „Cashewkerne – und wenn ja, welche?

  1. Heike

    Sehr interessanter Artikel.

    Dabei muss man sagen: Wo kauft man dennoch fair produziert ein? Speziell Produkte die nicht in heimatlichen Gefilden anbaubar sind? Sobald Produkte international produziert und importiert werden müssen, geht ein großes Stück Kontrolle für mich dahin…

    Leider!

    Danke für Artikel wie diesen, die darauf aufmerksam machen.

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  2. Lin

    Ja das ist wirklich Ausbeutung. Aber ich denke auch Fairtrade ist nicht so fair wie alle denken. Ich schätze auf der anderen Seite sind die Männer und Frauen froh dass sie überhaupt eine Arbeit haben wo sie Geld verdienen ohne den Körper oder die Kinder zu verkaufen. Zwar verdienen sie nicht viel, aber immer noch mehr wie nichts.

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  3. Katrin Stolze

    Vielen Dank für den differenzierten Beitrag und die weiterführenden Links. Wie so oft ein schwieriges Thema und sehr schwierig alle Aspekte zu berücksichtigen.

    Aber auch Lieferantensuche- und Auswahl und im Wareneinkauf steht man täglich genau vor diesen Fragestellung nach Herkunft, Arbeitsbedingungen, Qualität und natürlich auch dem Preis. Dieses immer mit der Fragestellung, was ist der Kunden bereit zu bezahlen. Der Trend ist spürbar, die Zahl der Käufer, welche Produkte hinterfragen steigt stetig an.

    LG
    Katrin

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    1. kirstinruge Beitragsautor

      Vielen Dank meinerseits für den Kommentar! Auch wenn wir vielleicht nicht viel durch unseren Konsum zum Besseren wenden können, so können wir uns doch zumindest bemühen, genauer hinzuschauen. Je mehr Transparanz ein Hersteller gewährt, desto sympathischer wird er.

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      1. Katrin Stolze

        Oh, doch! Bitte nicht falsch verstehen. Wir gehen sehr offensiv und gezielt mit unseren Lieferanten und Erzeugern in die Gespräche, hinterfragen und geben Feedback und Anforderungen der Kunden stets weiter. Das wird sich auswirken. Auch der Trend vieler kleiner Anbieter, Manufakturen und der Streetfoottrend ermöglicht es auch Erzeugern, weit weg von industrieller Produktion, mit Anspruch zu produzieren und zu verkaufen.

        Ein Teil davon sind gut recherchierte, kritische Beiträge, welche aufklären und informieren

        LG
        Katrin

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  4. Abnehmen Leicht Gemacht ¦ Marielle

    Puuuah.. ich bin schockiert… :-O
    Ich bin eine leidenschaftliche Cashew-Nuss-Esserin und liiiebe Cashew-Nüsse in allen Variationen.. obwohl ich bei meinen Einkäufen auf Bio und fair-trade achte, hab ich auch schon Cashew-Nüsse für 12€/kg gekauft.. :-[

    Es macht mich richtig traurig, wenn ich sehe unter welchen Bedingungen die Arbeiter/innen die Cashew-Nüsse verarbeiten müssen.. ich wusste auch gar nicht, dass Cashew-Nüsse ein giftiges Öl in der Schale enthalten. Das hat mir echt die Augen geöffnet! Vielen Dank für den wertvollen Beitrag Kirstin.

    Ich werde mich auf jeden Fall von nun an beim Einkaufen auf die Herkunft achten, auch wenn mich das Kilo ein paar € mehr kostet. Das ist es mir wert.

    Ganz liebe Grüße,
    Marielle

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