Üppige Mahlzeiten müssen nicht schwer im Magen liegen – Mutter Natur hilft uns gern mit bitteren Kräutern
Möge ein Kräuterbitter uns helfen!
Coffein, Theophyllin, Theobromin: seit Menschengedenken machen uns die in Kaffee, Tee oder Kakao enthaltenen Alkaloide viel Spaß. Von der Pflanze ursprünglich als Abwehrstoffe gegen Fressfeinde gedacht, nutzt der Mensch die organischen Verbindungen sowohl als Medizin wie als Stimulans. Ihm steht dabei ein ganzes Alkaloid-Arsenal zur Verfügung, seit Jahrmillionen im Gebrauch und noch lange nicht bis ins Letzte wissenschaftlich entschlüsselt. Zur Weihnachtszeit sollten uns vor allem die mit einem bitteren Geschmack assoziierten Alkaloide interessieren. Sie regen die Magen-und Darmbewegungen an und sorgen dafür, dass die Leber recht viel Gallensaft zur Fettverdauung produziert. Egal ob als Apéritif oder Digestif – ein Bitter möge uns dieser Tage stets begleiten.
Verrucht, wenn nicht frivol
Im Einzugsgebiet des ehemaligen britischen Empires hat sich über die Jahrhunderte eine völlig andere Bitters-Kultur gebildet als im nördlichen Europa. Während den nordischen Bitterschnäpsen eher etwas Animalisch-Gnomenhaftes anhaftet – welches in Namen wie »Bullenschluck», »Hirschkuss» oder »Harzer Grubenlicht» anklingt – geben die Briten ihren »Bitters» seit alters generalisierende Namen wie »Purl», »Shrub» oder schlicht »Tonic».
Zur Entschlüsselung des unfassbaren Namens und Etiketts von Stichpimpuli (aus klösterlicher Produktion):
STICHos = »massenweise Kräuterextrakte«, PIMpernuss der Pimpernelle = »freundlich sich dazugeselle«, PUlque, = »Agavensaft, gibt der Mischung volle Kraft«, LIebstöckel und Ligusterstrauch = »geben ihr Aroma auch«, BOCKsdorn sowie Bockshornklee »sind gut wie Aloe«, FORle-Kiefern-Saft = »der Föhren unbedingt hineingehören«, CErealie-Kornfrucht = »ist als Doppelkorn bekannt«, LOtos = »aßen mit Behagen schon bei Homer die Lotophagen«, RUM,= »des Zuckerrohres Saft dem Likör die Rundung schafft«.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Zurück zur Wissenschaft
Die bitterste natürliche Substanz der Welt ist übrigens Amarogentin, ein Bitterstoff, der aus der Enzianwurzel gewonnen wird. Dicht darauf folgt die ayurvedische Heilpflanze Maha-tita, auch »King of Bitters» genannt. Sie wird in Südostasien zur Behandlung von Infektionen eingesetzt. Mit welchen vier Geschmacksantennen wir Amarogentin schmecken können, hat man erst vor fünf Jahren heraus gefunden. Bitterkeit identifiziert der Mensch mit Hilfe kleiner Eiweißmoleküle, die auf der Spitze der Geschmackszellen unserer Zunge sitzen. Dockt eine Substanz an den auf sie zugeschnittenen Rezeptor an, leitet dieser das Signal »bitter» ans Gehirn weiter. »Obwohl seit etwa sieben Jahren alle 25 menschlichen Bitterrezeptor-Gene bekannt sind, ist es weltweit noch nicht gelungen, für jeden Bitterstoff den oder die passenden Bitterrezeptor/en zu identifizieren. Ebenso gibt es auch immer noch zehn, so genannte „verwaiste“ Rezeptortypen, denen die Forscher bislang noch keinen Bitterstoff zuordnen konnten», schreiben die Forscher vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (Link unten).
Meine Auswahl, meine Quelle
Die verdauungsfördernde Wirkung von Bitterextrakten hat mit dem Alkoholgehalt nichts zu tun. Er dient lediglich der Konservierung der Kräuter. Deshalb lag mein Augenmerk beim Kauf auf der Qualität des Tonikums: es sollte weitgehend naturbelassen und sorgfältig hergestellt sein, einen möglichst geringen Alkoholgehalt enthalten und nur wenig Zucker. Hier meine Auswahl:
Und hier die Links:
Bitterrezeptoren-Pressemitteilungen des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung.
Man ist ja immer froh, auch mal eine destillierende und extrahierende Frau zu finden.
Wegweiser zu einer verruchten Bar »The Purl«, Marylebone District, London.
Eine weitere angesagte UK-Bar.
Brooklyn is in da house. San Francisco is in da house.
Ein sehr nützlicher Blog. Noch ein Blog, zum Niederknien.
Hier mal ein Rezept.
Dr. Adam Elemegirab’s latest tweet
Ferdinand’s Bitters aus Rheinland-Pfalz.
Direktemang zu »The Bitter Truth». Auch im Bewegtbild.
»The History of Abott’s Bitters» zum Nachhören.
Winemags Top 20 Dashes (Spritzer).
Wiki-Cuvée: Gewürzbitter,Shrub, Angostura Bitters
Veröffentlicht am 21.11.2014