Die Lösung liegt auf dem Teller

Mit einer Mischung aus Pathos und gesundem Menschenverstand verführt »Cowspiracy« zum Veganismus

Michael Pollan, einflussreicher US Food-Journalist und Buchautor, im Interview

Michael Pollan, einflussreicher US Food-Journalist und Buchautor, im Interview

Die Fixierung der großen Umweltschutzverbände auf das klimaschädliche Kohlendioxid ist Kip Andersen und Keegan Kuhn zuwider. In ihrem 2014 produzierten Dokumentarfilm »Cowspiracy« fokussieren sie stattdessen auf Methan. Dieses Gas ist 25 mal wirksamer als CO2, doch es verbleibt nicht 120 Jahre in der Atmosphäre, sondern nur 9 bis 15 Jahre. Woher stammt es? Methan entsteht zu etwa 40 Prozent durch den Verdauungsprozess der 10 Millionen Rinder (Quelle: statista), die weltweit in der Milch- und Viehwirtschaft gehalten werden. Oder, wie eine der interviewten Umweltschützerinnen lachend abwiegelt: aus »cow farts«. Zum Lachen sind die Rinderfürze allerdings nicht. Auch wenn statt der Treibhausgase die weltweite Abholzung am Klimawandel schuld wäre, wie es die Wissenschaftler Wilhelm Ripl oder Jared Diamond glauben, hat das viel mit der industriellen Viehwirtschaft zu tun, Stichwort Mais, Soja, Weideland.

Ist Greenpeace gekauft?

In ihrem brillant bebilderten »Cowspiracy« bauen Andersen und Keegan einen perfekten Spannungsbogen auf. Am Anfang steht der etwas naive Kip. Nachdem er den Film »Eine unbequeme Wahrheit« von Al Gore gesehen hat, duscht er nur noch sekundenweise und fährt »religiously« Fahrrad, um seinen CO2-Fussabdruck so klein wie möglich zu halten. Nach unerschrockener Recherche entdeckt er, wo die Probleme wirklich liegen. Aber bei Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, Sierra Club oder Oceana stößt er an Decken aus Glas. Methan? Der skandalös hohe Wasser- und Landverbrauch der Viehwirtschaft? Das Abholzen des südamerikanischen Regenwalds, in der Relation eines Football-Felds pro Sekunde? Die korrupte öffentliche Hand? All das wird von den NGOs nicht skandalisiert. So fragt sich der Filmer »Spendet die mächtige US-amerikanische Animal and Agriculture-Alliance womöglich größere Summen an Greenpeace?» Die Frage bleibt unbeantwortet. Greenpeace steht für ein Interview nicht zur Verfügung.

Ist Veganismus die Rettung? Mit »Cowspiracy« legen Andersen und Kuhn die Vermutung nahe

Ist Veganismus die Rettung? Mit »Cowspiracy« legen Andersen und Kuhn die Vermutung nahe

Wunderschöne Wölfe, Koyoten und Mustangs

Die Daten und Fakten, mit denen Andersen und Keegan argumentieren, sind saumäßig gut mit bewegten Info-Grafiken illustriert. Die Bildsprache ist professionell, fast so, wie man sie aus hippen Werbefilmen kennt. Aufnahmen von mißhandelten Milchkühen wechseln mit Bildern wunderschöner Wölfe – auch sie, wie Koyoten und Mustangs, zum Tode verurteilt von Rinderfarmern, welche den durchschnittlichen US-Hunger auf täglich 250 Gramm Fleisch befriedigen. Wie irrational die Umwandlung von Futtergetreide in Fleisch ist, wie unfassbar hoch der Wasserverbrauch für die Herstellung eines einzigen Burgers: all das geht unter die Haut. Wir müssen runter vom Fleisch- und Milchkonsum. Hilft nichts, ist klar. Aber am Ende des Films wird’s dann doch ein bissel streichelzoomäßig. Als Lösung des komplexen Problems Klimawandel scheint nur die eine Antwort zulässig: die hundertprozentige und sofortige Hinwendung zum globalen Veganismus. Eine Maximalforderung, schon klar. Und sie hat im politischen Kampf immer ihre Berechtigung. Doch wir wissen alle, dass der Fleischkonsum trotz des veganen Megatrends nach wie vor steigt.  Auch beim Veganismus greifen längst industrielle Mechanismen. Lassen sich die beiden Filmer am Ende  als Botschafter für eine weitere Nische der Lebensmittelindustrie instrumentalisieren? Nope. Allein wegen der Fakten ist der Film unbedingt sehenswert (Klammer auf: regt zum Nachdenken an, Klammer zu).

Immerhin dürfen die Filmer vor die bei solchen Themen stets spärlich besetzten Reihen des Europäischen Parlaments treten:

Und hier die Links:

Weiterführende Literatur: »Die Wegwerfkuh« von Tanja Busse

Wer übrigens sehen will, wie beispielsweise in Australien mit dem Vieh umgegangen wird, abonniert auf Facebook die Seite von Agatka Borecki (Animal Cruelty Exposed)

Über Facebook gibt Ulf Schönheim, Regionalwert AG Hamburg, diesen Tipp, um sich mit der Materie eingehender zu beschäftigen

Interessantes Chart der Seite CO2-Emissionen vergleichen: die inzwischen verbotenen Fluorkohlenwasserstoffe sind 14800 mal schädlicher als CO2 und verbleiben 2 bis 300 Jahre in der Atmosphäre.

Veröffentlicht am 26.06.2016

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