Ein süsser Luxus

Um den Zucker aus der Kokosblüte ranken sich Mythen und Märchen. Was davon ist Marketingsprech?  Und wieso ist der Zucker trotzdem gut?

Kokosblütenzucker – zum Backen zu teuer

Um es gleich vorweg zu sagen: Kokosblütenzucker in Bioqualität ist Luxus. Mit einem Kilopreis zwischen 30 und 40 Euro kann man das Backen mit den karamelligen Kristallen knicken. Aber ein Hauch über einer Crema, ein paar Krümel auf Erdbeeren, eine Prise in der Vinaigrette, ganz zu schweigen von Mojitos: yummie! Die Marken meines Vertrauens sind Amanprana, Govinda und Dr. Goerg. Bei vielen anderen Anbietern habe ich den Eindruck, dass uns gutgläubigen Wellnessfans ganz normaler, gemahlener Palmzucker unter dem Namen Kokosblütenzucker verkauft wird – den man in jedem Asia-Shop für einen Bruchteil des Preises kaufen kann.

Kokosblütenzucker – wirklich von der Weltbank empfohlen?

Kokosblütenzucker wird basisch verstoffwechselt. Sein niedriger glykämischer Index schont die Bauchspeicheldrüse. Bei anderen Vorteilen muss man ein bisschen vorsichtig sein: Achtung, Marketing!

Das Besondere an dieser Art Palmzucker ist, dass er ausschließlich aus den Blüten der Kokospalme (Coco nucifera) gewonnen wird. Palmzucker kann aber auch von Dattelpalmen, Ölpalmen und tausend anderen Arten stammen (siehe FAO-Link unten). Jede Palme liefert einen anderen Zucker. Bio-Kokosblütenzucker stammt zumeist von den Inseln des indischen Ozeans, Indonesien, den Philippinen sowie aus Thailand oder Südindien. Da die Kokospalme den lokalen Kleinbauern eine Vielzahl an verwertbarem Material liefert, gilt die Herstellung und die Verarbeitung des Zuckers als besonders nachhaltig. Ein von Herstellern, Blogs und Onlineshops millionenfach erzähltes Alleinstellungsmerkmal besagt, dass der Zucker als einziger von der FAO als nachhaltig ausgezeichnet wurde. Doch die Food and Agriculture Organization FAO gehört nicht wie behauptet zur Weltbank, sondern zu den Vereinten Nationen. Eine entsprechende Quelle habe ich nicht gefunden – deshalb buche ich das mal unter Marketingsprech ab.

Kleine Warenkunde

Der Hersteller Govinda ist schon lange auf dem Markt und überzeugt mich immer wieder mit seinen Produkten. Auch beim Kokosblütenzucker habe ich zugegriffen - und wurde nicht enttäuscht.

Der Hersteller Govinda ist schon lange auf dem Markt und überzeugt mich immer wieder mit seinen Produkten. Auch beim Kokosblütenzucker habe ich zugegriffen – und wurde nicht enttäuscht.

Mit ihrem niedrigen Schmelzpunkt zergehen die zarten, immer leicht feucht wirkenden Zuckerkristalle sofort auf der Zunge. Das Aroma kommt ohne störenden Beigeschmack daher und übertrifft damit Stevia, Honig oder Fruchtdicksäfte. Allenfalls gibt’s eine leicht karamellige Nuance, die mit Desserts oder Currys wunderbar harmoniert. Der glykämische Index ist im Vergleich niedrig:

Kokosblütenzucker 35
Agavendicksaft 42
Honig 55
Rohrzucker 68

Das bedeutet, dass der Insulinpegel beim Verzehr des Zuckers nicht nach oben schießt, um wenig später wieder abzustürzen (Stichwort: Heißhunger). Sondern dass das Insulin langsam in die Körperzellen flutet und vergleichsweise langsam wieder abgebaut wird (Reissirup und Malzzucker haben übrigens ähnliche Eigenschaften). Unübertroffener Pluspunkt: Kokosblütenzucker wird basisch verstoffwechselt – führt also im Gegensatz zu anderen Zuckerarten nicht zur Übersäuerung des Organismus.

Roher Kokosblütenzucker – vergiss es!

Hersteller wie Lovechock oder Ombar preisen ihre mit Kokosblütenzucker gesüssten Schokoladen als roh an – fälschlicherweise. Denn bei der Herstellung wird der Nektar aus den Blüten der Kokospalme auf mindestens 70 Grad erhitzt, um ihn zu Kokosnektar einzudicken. Da dieser sehr schnell anfängt zu gären, wird er danach lange Zeit in Pfannen gerührt, damit er kristallisiert. Von Rohkostqualität keine Spur.

Und hier die Links:

Kleine Palmenkunde der Vereinten Nationen (Quelle FAO)

Hier geht’s zu Vivien Vogt, Anbieterin von exzellentem Kokosblütenzucker: Janur

Unterhaltsames über die Kokosblütenzucker Herstellung von Amanprana

Hier räumt ein Rohkost-Forum mit dem Mythos roher Kokosblütenzucker  auf

Wissenswertes aus dem Lebensmittel-Lexikon

22 Gedanken zu „Ein süsser Luxus

  1. Steffi

    Hallo,
    schon Erfahrung gemacht mit dem Kokosblütenzucker von Lotao? Unterscheiden sich die verschiedenen Zuckersorten von Amanaprana, Govinda und Dr. Goerg eigentlich in der Farbe?

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    1. kirstinruge Beitragsautor

      Hallo Stefanie! Lotao ist mir im Internet begegnet. Der erste Eindruck ist gut. Da ich aber so weit es geht Online-Käufe vermeide und ich Lotao noch nie in einem Hamburger Laden entdeckt habe, kann ich über die Qualität nichts sagen. Zum Thema Farbe: Da gibt es kaum Unterschiede – vor allem nicht zwischen Govinda und Amanaprana. Sie kommen alle in einem mehr oder weniger hellen Braun daher…danke für Deine Fragen, lG, Kirstin

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  2. Isabell Tausendfreundt

    Ich habe folgendes Produkt in der Bio – Abteilung in einem Edeka – Markt entdeckt:
    Palmzucker von Verival bio. Aus der Arenga Palme. Laut dem Text der Packung stammt der nicht raffinierte Vollpalmzucker aus den Blütenknospen der Arenga Palmen und wird von den ansässigen Bauern geerntet, gefiltertr und dann schonend gekocht. Abgekühlt und erstarrt wird er dann zu streufähigem vollpalmzucker zerkleinert. Der Preis liegt etwa bei der Hälfe des Kokosblütenzuckers von Govinda.
    Herzliche Grüße

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    1. kirstinruge Beitragsautor

      Liebe Isabell, danke für den Hinweis. Auf der Homepage von Verival aus Österreich habe ich den Zucker nicht entdeckt. Aber bei Amazon. Ist wirklich sehr günstig. Ich werde ihn auf jeden Fall ausprobieren.

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  3. Becky

    Ein spannender Artikel, vielen Dank dafür!
    Meinst du, man kann im Zweifelsfalle trotzdem Palmzucker und Kokoszucker gegenseitig ersetzen oder verändert das den Geschmack oder die Struktur doch deutlich?
    Viele Grüße, Becky

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    1. kirstinruge Beitragsautor

      Liebe Becky – Palmzucker aus dem Asia-Shop ist meist viel heller und schmeckt weniger karamellig. Ansonsten sehe ich da keine Probleme.Soweit zu Kokos-und Palmzucker. Der Blütenzucker hat aber eine ganz andere Textur als reiner Palm- oder Kokoszucker – das liegt seinem Schmelzpunkt. Palmzucker aus dem Asia-Shop und Blütenzucker würde ich deshalb nicht miteinander mischen. Wie gesagt: den Blütenzucker nutze ich zum Drüberstreuen. Zum Backen ist er mir zu teuer.

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    1. kirstinruge Beitragsautor

      Palmzucker, der für kleines Geld in Asia-Läden erhältlich ist, wird mit Sicherheit weniger »nachhaltig« produziert, als der Kokosblütenzucker der von mir empfohlenen Bio-Produzenten. Der glykämische Index wird vermutlich etwas ungünstiger ausfallen als beim Kokosblütenzucker. Aber das ist nur eine Annahme. Ich müsste da noch einmal tiefer in die Recherche einsteigen. Mach ich auch gern, nur nicht sofort – dazu fehlt mir leider gerade die Zeit. Aber die Frage interessiert mich auch – vielen dank dafür!

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  4. Maggerie Blunt

    Ich möchte Deinen Artikel ein wenig wiedersprechen.

    Kokosblütenzucker ist für manche unverzichtbar als Süße in der altäglichen Ernährung. Auch zum backen von Kuchen. Dadurch das Kokosblütenzucker einen niedrigen glykämischen Index hat ist er optimal für Diabetiker oder Hochleistungssportler geeignet, oder auch bei Histaminintoleranz ist er zumindest besser geeignet als Honig. Bio-Kokosblütenzucker wird zudem regelmäßig in Laboratorien auf Schadstoffe wie Mykotoxine, Schimmel und Kolibakterien getestet. Ein tollen Bericht darüber findest Du auf der Seite Zistrosentee im Artikel über Kokosblürtenzucker.

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  5. Moni

    Vielen Dank für Deinen Beitrag.
    Ich habe eine Insulinresistenz und bin auf der Suche nach Lösungen….hast Du Birkenzucker mal mit Kokosblütenzucker verglichen? Wie ist der Unterschied im Bezug auf Insulin und sinnvolle/gesunde Inhaltsstoffe? Ich bin vom Netz verwirrt und vielleicht hast Du Dir schon die Mühe gemacht?
    Liebe Grüsse MONI

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      1. Isabell Tausendfreundt

        Ich empfehle einen Selbsttest mit den verschiedenen Alternativen Süßungsmitteln mit einem Blutzuckermessgerät, jeweils müchtern und jeweils die gleiche Menge.

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  6. Lisa K

    Unterscheiden sich denn eigentlich die verschiedenen Palmzucker-Sorten (Dattelpalme, Kokospalme,…) nennenswert im Geschmack?
    Und weiß jemand, welcher die typische Sorte wäre, die man als Zutat bei Thai-Curry verwendet?

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    1. kirstinruge Beitragsautor

      Liebe Lisa!
      Meines Erachtens gibt’s keine nennenswerten geschmacklichen Unterschiede zwischen den Dattelpalmen. Allerdings werden diese auch nicht auf den Verpackungen ausgewiesen. In Original-Thai-Curries wird vermutlich Palmzucker aus dem Asia-Shop verwendet – vielleicht sogar der, den man im Block kauft und dann abraspelt. Ziemlich mühevolle Angelegenheit! Ich würde dieselbe Frage auch mal Vivien Vogt von Janur stellen – sie kennt sich gut aus. Hier der Link: https://www.kokoszucker.de/

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      1. Lisa K

        Vielen Dank! Das hilft mir weiter. Der Asia-Shop hier wird von Chinesen geführt mit entsprechender Sortimentsauswahl, da war ich mir unsicher mit dem nicht weiter bezeichneten Palmzucker (tatsächlich im Block). Ich schau mal rüber zu Janur.
        Viele Grüße

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  7. Kerstin Frommann

    Bis vor knapp einem halben Jahr hab ich zum Süßen Xylitol, Handelsname Xucker, benutzt, damit war ich ganz zufrieden. Schmeckt gut, kann 1:1 gegen Zucker ausgetauscht werden, ist basisch, kalorienarm usw. Ich hab es einige Jahre benutzt und meinen Zuckerkonsum in dieser Zeit stark gesenkt. Dann ging mir mein Vorrat aus und ich stieg vorübergehen auf normalen Industriezucker um. Innerhalb weniger Tage war mir klar, dass ich nun mit normalem Zucker Diabetikerin war! In erster Linie am Körper- und Atemgeruch, manchmal an Hautjucken, hab ich das deutlich gemerkt. Ich hab dann drauf geachtet, welche Lebesmittel das verstärkt auslösen, und es sind in erster Linie weißer Zucker und Weizen- oder Dinkelmehl sowie die Zuckerart – ganz extrem – die HARIBO in Weingummis verwendet.
    Ich helfe meinem Insulinspiegel nun durch die Einnahme von Zimt, Kurkuma und schwarzem Pfeffer auf die Sprünge.
    Kürzlich nun hatte ALDI Kokosblütenzucker im Angebot und ich hab mir ein Tütchen geleistet, um meinen Kaffee damit zu süßen.
    Ich stelle fest, dass dieser Zucker gut schmeckt, auch sein Röstaroma passt gut zum Kaffee, und vor allem – die Reaktion in meinem Zuckerstoffwechsel ist viel sanfter als die auf Industriezucker. Hier hab ich nun gelesen, dass der glykämische Index niedriger ist und er den Insulinausstoß langsamer verursacht. Ich kann das das bestätigen, ich spür es am eigenen Leib.

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  8. Christine

    Er (Kokosblütenzucker) besteht hauptsächlich und zu weit über 90% aus Saccharose wie der gewöhnliche Haushaltszucker, mit einem geringen Anteil an Glucose und Fructose. Daneben sind Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine, Proteine, Fette und Fasern enthalten. Zitat aus Pharmawiki.ch
    Die Saccharose gehört wie andere Zuckerarten zu den Kohlenhydraten. Sie ist ein Disaccharid (Zweifachzucker). Saccharose besteht als Dimer aus je einem Molekül α-D-Glucose und β-D-Fructose.
    Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass er auf den Blutzuckerspiegel großartig anders wirkt.
    Als Diabetikerin wäre ich da sehr vorsichtig.

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    1. kirstinruge Beitragsautor

      Liebe Frau Geppert, Sie haben völlig Recht, man muss immer sehr vorsichtig mit Werten sein. Am besten ließe sich die glykämische Belastung wohl mit einem unter die Haut gepflanzten Chip, wie ihn an Diabetes 1-Erkrankte tragen, messen. And guess what: Ich nehme an, dass die so gemessene, durch den Kokosblütenzucker verursachte Blutzuckerspitze bei jedem Menschen anders ausfällt – je nach Sensitität und Zustand der Bauchspeicheldrüse. Muss man halt ausprobieren. Für mich ist Kokosblütenzucker nach wie vor ein Luxus, den ich mir als entschiedener Low Carb-Fan nur selten gönne. Dann aber gern, denn ich finde ihn einfach unvergleichlich lecker.

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