Ein Interview mit Anette Jensen, Co-Autorin von »Glücksökonomie« – bitte dazu im Geiste »Can’t hold us back « von Public Enemy hören

Sabine Siehl, Betreiberin des sozialen Netzwerks wellyunit, lädt am 21.3. in die Hamburger Rathauspassage ein
Wenn Sabine Siehl einlädt, darf man immer interessante Gäste erwarten. Am 21. März 2015, internationaler »Tag des Glücks«, hatte die rührige Betreiberin der Plattform WellYunit die freie Journalistin und Buchautorin Annette Jensen in die Hamburger Rathauspassage eingeladen. Gemeinsam mit Ute Scheub, Mitbegründerin der taz, schrieb sie zuletzt das Buch Glücksökonomie – wer teilt, hat mehr vom Leben. Wir treffen uns zum Interview.
Noch können wir es schaffen
RWB: An welchem Punkt der Geschichte – oder sollte ich sagen: Krise – stehen wir eigentlich?
Jensen: Ich bin keine Apokalyptikerin mehr. Aber auch nicht naiv. Angesichts der globalen Zuspitzungen – ökologisch und ökonomisch – steht die Menschheit definitiv am Scheideweg. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Inzwischen habe ich aber so viele fitte Leute getroffen und interviewt, dass ich optimistisch geworden bin. Wir haben eine Chance.
RWB: Welche fitten Leute haben Sie am meisten beeindruckt?
Mich beeindruckt vor allem der Open Source-Gedanke. Gerade jetzt schwappt er aus der Software in die Produktion über. Marcin Jakubowskis Idee, Baupläne für 50 Maschinen, mit denen man ein Dorf bauen kann, ins Netz zu stellen, hat viele Leute inspiriert. Da ist zum Beispiel Alex Shure mit seinem Motto »Open Source Everything«, der viele ressourcensparende Techniken im elektrischen Bereich erfindet (siehe eingebetteten TED Talk unten). Ich schätze auch die Arbeit von Van Bo Le-Mentzel. Bei der Stiftung Zukunftsfähigkeit FUTURZWEI veröffentlichen wir jede Woche ein bis zwei Geschichten des Gelingens aus dem Nachhaltigkeitsbereich. Sina Trinkwalder von manomama finde ich toll, die in ihrer Textilfabrik in Augsburg vor allem Ältere und Alleinerziehende beschäftigt und beweist, dass man auch in Deutschland produzieren und anständige Löhne zahlen kann.
RWB: Viele halten den Gedanken der Share-Economy für reichlich romantisch…
UBER oder airbnb haben gezeigt, dass der Share-Econony-Gedanke kommerzialisiert und damit korrumpiert werden kann. In den tausenden von anderen Netzwerken, die es mittlerweile gibt, ist das aber nicht der Fall. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es viele Menschen mittlerweile befriedigender finden, sich gegenseitig zu unterstützen als materiellen Besitz anzuhäufen. Überall auf der Welt sehen wir ein Zurück zur Region, zur Dezentralisierung, zur Modularität und zur Vielfalt.
RWB: Und dadurch entsteht tatsächlich eine Ökonomie des Glücks?
Mit dem Titel des Buchs von Ute Scheub und mir bin ich inzwischen nicht mehr ganz so glücklich. Klingt ein bisschen weichgespült und esoterisch. Die positiven Ansätze, die wir dort beschreiben, sind aber in ihrer Gesamtheit handfest und bodenständig. Mir macht Hoffnung, dass der Peer-to-Peer-Group-Ansatz gerade bei jungen Leuten so stark ist, weltweit. Das sind keine Träumer. Es sind Tausende von Machern – selbstverständlich ist das auch dem wachsenden ökologischen und ökonomischen Druck geschuldet –, die da am Start sind und alternative Modelle auf ihre Praxistauglichkeit testen.
RWB: Rudi, der Kampf geht weiter?
Es muss kein Kampf sein. Die Gewaltausbrüche bei Blockupy in Frankfurt halte ich für keinen zielführenden Protest. Der Inhalt ist richtig, aber eine direkte Konfrontation mit dem Gegner Kapitalismus wird nichts Grundlegendes ändern können: Die Machtverhältnisse sind einfach zu krass. Mehr Hoffnung machen mir die vielen Projekte, die die Leute nach eigenen Vorstellungen aufgebaut haben. Sie sind kaum zu vereinnahmen, weil sie authentisch sind. Gerade darin liegt ihr Wert für die Beteiligten. Das alles wuchert immer stärker in den Kapitalismus hinein – und es zeigt, dass es anders geht. Nichts ist überzeugender als das gelebte Beispiel.
Frau Jensen, vielen Dank für das Gespräch
WHEN WE STAND TOGETHER? WHAT TIME IS IT? Public Enemy feat. Paris
Ein Original Sabine Siehl-Event – die Impressionen
Am 29. März 2015 lädt Sabine Siehl wieder zum Schenkvergnügen ein – eine prima Gelegenheit, anderen und sich selbst eine Freude zu machen.
Und hier die Links:
»Glücksökonomie – wer teilt, hat mehr vom Leben« findest du hier
Annette Jensen bei Wikipedia
Im Herder Verlag ist Jensens Buch »Wir steigern das Bruttosozialglück« erschienen
Bitte hier entlang zur Seite von Ute Scheub
Jede Woche ein bis zwei Gesichten des Gelingens bei FUTURZWEI Stiftung Zukunftsfähigkeit
Links zu Van Bo Le-Mentzel, Sina Trinkwalder, Alex Shure
Noch nie von Marcin Jakubwoski gehört? Das lässt sich ändern
TED Talk (2011) von Marcin Jakubwoski
Veröffentlicht am 24.03.2015