Oder geht dein Arzt schon bei der blossen Erwähnung an die Decke? Ein Ausflug in die Welt der orthodoxen Medizin
Altertümliches Gedankengut ?
Mediziner sind präzise denkende Menschen. Sie können es nicht leiden, wenn ihre Patienten vom Entschlacken reden. Denn vieles lässt sich im Körper finden: Verkalktes, Verfettetes, Versteinertes, Plaques, Ablagerungen, Fremdkörper oder Parasiten. Aber noch nie haben Pathologen Verbrennungsrückstände entdeckt wie man sie aus dem Kohleofen kennt und deshalb Schlacken nennen dürfte. Zum Kummer vieler Ärzte hält sich diese Vorstellung trotzdem hartnäckig. Warum? Laut Wikipedia ist Otto Buchinger Schuld. Nach dem ersten Weltkrieg erkrankte der Marineassistenzarzt schwer an Rheuma. Erst nach einer dreiwöchigen Heilfastenkur klang die Gelenkentzündung ab. Buchinger wurde Pazifist, Quäker, schrieb Bücher, in denen er den Begriff Entschlacken prägte, und gründete eine Heilfastenklinik. Damit eröffnete er einen neuen Geschäftszweig, der im Laufe der Zeit auch für Hoteliers lukrativ wurde (Kliniken und Hotels verschmelzen ja zunehmend) – und warum auch nicht? Viele Menschen empfinden das Gefühl, sich beim Fasten von Grund auf zu reinigen, als äußerst wohltuend. Nur werden sie dabei keine Schlacken los – wg. deren Nichtexistenz.
Ernährungsbedingte Übersäuerung, anyone?
Auch der Begriff Übersäuerung wird von orthodoxen Schulmedizinern nicht geliebt. Zwar gibt es die lebensbedrohliche Azidose, die immer dann eintritt, wenn der pH-Wert des arteriellen Blutes unter den Wert von 7,36 rutscht und damit in den sauren Bereich. Die Ursachen sind breit gefächert. Sie reichen vom Unfall, bei dem gebrochene Rippen die Atmung behindern, über Vergiftungen und Hormonstörungen bis zu Stoffwechselentgleisungen im Rahmen von Diabetes. Von einer ernährungsbedingten Übersäuerung, von der die Säure-Basen-Balance-Community überzeugt ist, ist in medizinischen Fachbüchern so gut wie nie zu lesen. Erst 1995 gelang es Prof. Dr. Thomas Remer (heute Universität Bonn), einen Messwert für die säuernde oder alkalisierende (basisch machende) Wirkung eines Lebensmittels zu kreiieren. Er nannte ihn PRAL-Wert, nach dem englischen »Potential Renal Acid Load«. Ausgedrückt wird der Messwert als Milliäquivalent pro 100 g Lebensmitteln, abgekürzt mEq/100. Obwohl der PRAL-Wert im Internet weit verbreitet ist – z.B. in Form eines Säure-Basen-Rechners –, findet er in Medizinerkreisen nur wenig Akzeptanz (siehe Links unten). Es scheint fast so, als hätte man dieses Feld kampflos den Alternativmedizinern und Ernährungswissenschaftlern überlassen.
Und hier die Links:
Eine Kritik an der PRAL-Tabelle
Interview mit Prof. Dr. Remer in der Zeitschrift »Der Naturarzt«
Wikipedia-Links: Entschlackung, Otto Buchinger, Azidose
Heilfasten ist nicht Hungern, sondern?
Reinigung, Entgiftung und Ausleitung im Ayurveda
Veröffentlicht am 06.04.2015