»Gemüse fermentieren« ist ein Buch für Anfänger, das auch Fortgeschrittene überraschen dürfte

Sind 22,7 °C oder 24,3 ° C die perfekte Temperatur zum fermentieren? Auch so ein hitzig diskutiertes Thema im Internet…
Neulich im Internet
Lactoheinz versteht die Welt nicht mehr.
»Warum hast du kein Gärgefäß mit Wasserrinne genommen, wie ich es seit Jahren empfehle?«, kanzelt er Krautsusi ab.
»Hast du mit der Mandoline gehobelt?«
»Kein Wunder, dass das Ganze Matsch ist!«
Die beiden tauschen sich im Forum für »Einfaches fermentieren« aus. Bitte nicht gleich googeln. Das Forum gibt es nicht. Es ist fiktiv, kommt aber realen DIY-Zirkeln ziemlich nahe. Dort nimmt man das Geschäft des Fermentierens sehr ernst. Laien wird zunächst zum Kauf einer passenden Ausstattung geraten. Dabei scheinen ein Gemüsehobel, welchen man rätselhafterweise »Mandoline« nennt, sowie bleifrei glasiertes Steinzeug mit Wasserrinne das Mindeste zu sein. Auch handgetöpferte Beschwerungssscheiben und sowie die aufs Milligramm genaue Elektrowaage sind ein Muss. Ganz zu schweigen von den richtigen Gläsern. Dem Stampfer. Gärröhrchen. Lackmuspapier.

Ganz offensichtlich nicht mit Mandoline gehobelt! Sellerie, immerhin mit Riffelmesser geschnitten
Lesen hilft
Gewiß – die oben genannte Beschreibung ist überspitzt. Doch wer die ersten Schritte ins Reich der Fermente wagen will, sollte sich vom Internet fernhalten. Ein guter Rat übrigens auch für Schwangere oder im Rechtsstreit liegende Nachbarn. Aber zurück zum Vergorenen. Amanda Feifer aus Pennsylvanien übertrifft auf diesem Gebiet das Internet bei weitem. Mit »Gemüse fermentieren« legt sie einen Wegweiser vor, der Einsteigern Fehlkäufe, Matsch und Missmut erspart. Das kompakte Buch, 2016 im Hans-Nietsch-Verlag erschienen, bietet hilfreiche »Techniken, Tipps und Rezepte für den perfekten Einstieg«. Aber es überrascht auch Fortgeschrittene – zum Beispiel mit Anleitungen für das Fermentieren im Reiskleie- und Misobett oder Hinweisen zur Herstellung von sonnenvergorenem indischen Sauergemüse.

Fermentieren geht ganz leicht – hält man sich an die Anweisungen von Amanda Feifer
Warum sich langweilen?
Feifers Buch liest sich spritzig und schnell. Offenbar selbst durch leidvolle Prozesse des Experimentierens gegangen, empfiehlt die Amerikanerin nur Großfamilien die Verwendung von 6-Liter-Gärtöpfen. Ob mit oder ohne Wasserrinne, scheint dabei ziemlich egal zu sein. Viel wichtiger ist der Genuss. Warum wochenlang nur eine Sorte Kraut mümmeln, wenn man Pickles aller Art im Kühlschrank haben kann? Etwa Klassische Dillgurken, Rosenkohl mit Haselnüssen, Kürbis-Gewürz-Kimchi, Steckrüben mit Rosmarin oder andere gesunde Köstlichkeiten – alle überschaubar fermentiert in kleinen Gläschen?

Zutaten für milchsaure Mixed Pickles – einfach das genommen, was gerade zur Hand war
Mach’s dir einfach
Die Politik der kleinen Mengen ist nicht die einzige erleichternde Botschaft der Verfasserin. Auch in puncto Genießbarkeit empfiehlt sie Einfachheit, basierend auf dem pH-Wert. Liegt er unter 4,0, ist der Verzehr unbedenklich, liegt er darüber, sollte man das Vergorene wegwerfen. Feifers Tipps regen zum sofortigen Selbstversuch an: Mit Tanninen aus Tee- oder anderen Blättern bewahrt man beispielsweise die Knackigkeit auch von weichem Gemüse. Außerdem kann man auch salzlos pickeln. Oder Kwass machen. Oder einen Hustensirup aus Honig und Knoblauch herstellen – und, und, und. Sei also gewarnt! Nach der Lektüre des Buches stürzt du sofort zum Markt und holst dir Blumenkohl, Gürkchen, Karotten und Kürbis. Dafür reichen in der Küche erstmal Marmeladengläser, Murmeln oder mit Wasser gefüllte Gläser zur Beschwerung, Wasser, Salz, ein ausgedientes Tuch sowie Bindfaden. Imposatne Investitionen in »gear« (englisch für »Zeugs«) braucht es anfangs wirklich nicht. Glaub mir! Ich spreche aus Erfahrung – siehe Lernkurve Sauerkraut.

Voila – die milchsauren Mixed Pickles sind angesetzt. Und blubbern schon…
Und hier die Links:
Amanda Feifer, Gemüse fermentieren – Kimchi, Sauerkraut, Pickles, Kwass & Co. selbst herstellen – Techniken, Tipps und Rezepte für den perfekten Einstieg, Hans-Nietsch-Verlag, 207 Seiten, 19,90 €
Bestimmt auch nicht schlecht (falls man gewillt ist, ein Buch aus dem Kopp-Verlag zu kaufen): Sandor Ellix Katz »So einfach ist fermentieren«
Immer einen Besuch wert, trotz Internet: Isa Palsteks Wilde Fermente I Happy Bubbles
Nur damit du mal siehst, wie so eine Profi-Mandoline aussieht
Veröffentlicht am 16.09.2016
Bitte können sie mir etwas dazu sagen, ob beim fermentieren Blei aus den Gefäßen gelöst werden kann?
Freundliche Grüße
Sieglinde Frank
Soweit ich weiß, sollte man nicht in Tongefässen mit bleihaltiger Glasur fermentieren. Sondern am besten in Glasgefäßen. Auch die Gewichte, die man zum beschweren verwendet, sollten nicht mit bleihaltiger Glasur überzogen sein.