Im Gespräch mit Conrad Bölicke

Am 30. April und 1. Mai 2016 lädt der Chef von arteFakt zu den Olivenöl-Abholtagen ein – und wir feiern einen Olive Oil Streetfood-Day auf der Geest

Dipl. Ing. Conrad Bölicke, Geschäftsführer der arteFakt Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen GmbH

Dipl. Ing. Conrad Bölicke, Geschäftsführer der arteFakt Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen GmbH; Foto: © arteFakt

Wenn einer etwas von Olivenöl versteht, dann Conrad Bölicke. Der 65-Jährige ist ein ähnliches Kaliber wie Professor Günter Faltin, mit dem er seit gemeinsamen Tagen an der TU Berlin befreundet ist. Bölicke übertrug Züge der berühmten Teekampagne auf das Olivenöl und schuf mit der Unternehmung arteFakt einen Marktplatz für die Direktvermarktung von Olivenöl aus Griechenland, Italien und Spanien. Wir treffen uns im Vorfeld der sogenannten Olivenöl-Abholtage. Dieses Jahr finden sie zum 18. Mal in Wilstedt (im Landkreis Rotenburg/Wümme) statt – und zwar am 30. April und 1. Mai von 10:00 bis 18:00 Uhr. Unser Gespräch beginnt mit der Frage nach einer noch nie gehörten Unternehmensform:

!!!!!! Aktueller Terrmin für die Olivenölabholtage 2017:  06. bis 07. Mai in Wilstedt (Näheres hier auf Facebook)!!!!!!

Conrad Bölicke, was muss man sich unter einer Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen vorstellen?

Die Aufnahme des Wortes »Ideen« drückt aus, dass es um etwas geht, was nicht irgendwo fertig abzuholen ist, sondern, dass es vielfacher Experimente bedarf, um es zu erlangen oder wieder zu erlangen. Der schleichende Prozess der Entfremdung von unseren Lebensgrundlagen durch die Art wie wir heute urbanisierend und globalisierend arbeiten und leben, führt weitgehend zum Verlust an Selbstermächtigung. Es bedeutet ganz praktisch, dass uns zum Teil jegliche Form sinnlicher Erfahrung zur Entstehung der Dinge, die uns im Alltag umgeben und die wir konsumieren, verschlossen bleibt. Zur Beurteilung stehen uns oft nur noch die Werbung und die Skandale zur Verfügung. Alles, was uns umgibt, ist kaum noch im ursprünglichen Zustand zu erhalten, alles ist auf irgendeine Art eine Zusammensetzung aus verschiedensten Teilen mit einem anschließend auf Natürlichkeit getrimmten Design.

Probier-und Geschenkliter – 4 x 0,25 l Kanister plus Infos über Oliviers und mehr

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Das kann ich nur unterschreiben, habe aber trotzdem noch keine Vorstellung von einer Erzeuger-Verbraucher-Idee…

Die Rückgewinnung der Selbstermächtigung kann nur vorankommen, wenn es gelingt, diese Trennung aufzuheben und die Nähe von Erzeugung und Konsumierung als ganzheitlich erlebbaren Prozess für sich zu gewinnen. Das ist ein kompliziertes Unterfangen, weil eine radikale Um- oder Abkehr von unseren derzeitigen »Sachzwängen« des alltäglichen Lebens nur den wenigsten möglich sein wird. Es geht also um Ideen und Experimente, wie das auf transformatorische Weise auf den Weg gebracht werden kann, die dann aber auch nachhaltig wirken.

Verstehe, es geht also um den Austausch zwischen Erzeugern und Konsumenten und dem, was daraus entsteht…eine Art Bewusstsein oder verändertes Verbrauchsverhalten vielleicht?

Aus der Lerntheorie ist bekannt, dass zur Veränderung herausgefordert, aber nicht überfordert werden soll. Und weiterhin, dass erfolgreiches Lernen nur durch Vorbilder und Attraktion gelingt. Bei der arteFakt Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen geht es also nicht um die Bildung einer Erzeuger-Verbraucher-Organisation, sondern um vielfache und vielfältige Experimente, was das sein und wie das gehen könnte. Um das nicht nur auf der Ebene der Gedankenexperimente zu halten, sind die Ideen immer auch mit der ökonomischen Umsetzung der Tauschbeziehungen verknüpft, als Herausforderung oder Schutz, um nicht in nur in idealen und moralischen Sphären schweben zu bleiben. Da Tausch immer Handel ist, habe ich das gleich als Handelsagentur fest geschrieben. Und Agentur finde ich immer noch richtig, weil ein Agent die Figur ist, die zwischen verschiedenen Ebenen die Interessen vermittelt. Wenn es um Erzeuger geht, sehe ich den Agenten als Galeristen und die Konsumenten als Kunstliebhaber oder -interessierte.

Der Erlös für Museumsoele aus Apulien oder Kreta fliessen in den arteFakt Stifterfonds

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Aber müssen wir Konsumenten nicht erstmal wieder lernen, was gut gemachte Erzeugnisse sind? Sind wir nicht viel zu sehr Banausen?

Was ein Landwirt, der beispielsweise die Erhaltungszucht alter Gemüsesorten schafft, ist letztlich ein Kunstwerk, das zu konsumieren erlernt werden muss. Es ist nicht schicklich, dass ein Künstler sich selber und sein Kunstwerk lobt oder es auch noch erklärt, was er sich dabei gedacht hat. Es bedarf dazu eines Galeristen, der diese Aufgabe übernimmt. So sehe ich das und mit arteFakt habe ich versucht ein Modell zu entwickeln, das diese Rolle am Beispiel des Olivenöls einnimmt. Und natürlich wertet es eine Idee auf, wenn sie sich in der Praxis, bezogen auf die gesteckten Ziele, als tauglich erweist. So wurde aus der Idee ein Projekt und aus dem Projekt eine recht erfolgreiche mittelständische Unternehmung. Das absorbiert zwar auf der einen Seite viele Kräfte, die den ursprünglichen Freiraum zur Ideenfindung und –Entwicklung einschränkt, generiert auf der anderen Seite aber Mittel, die Startphasen von Ideen besser ausstatten kann.

Da kommen dann wieder die Sachzwänge ins Spiel?

ArteFakt habe ich immer auch als Plattform und als Trainingsbühne für neue Ideen und Menschen mit neuen Ideen verstanden. Man kann bei arteFakt daher nicht mitmachen, sondern nur selbstmachen. Für Letzteres stellen wir Entrepreneuren im oben ausgeführten Sinnen unsere Infrastruktur oft bis hin zum Zugang zu unseren Kunden zur Verfügung und sind damit dann wieder ganz Agentur für Erzeuger-Verbraucher-Idee, unabhängig vom Olivenöl. Hierfür verbrauchen wir übrigens unsere Gewinne.

arteFakt Olivenoel Nr 3 - Oliviers: Geschwister Librandi, Herkunft: Kalabrien im Süden Italiens

arteFakt Olivenoel Nr 3 – Oliviers: Geschwister Librandi, Herkunft: Kalabrien im Süden Italiens

Und wir können einige dieser Entrepeneure auf den Olivenöl-Abholtagen treffen – warum wäre das insbesondere für Foodblogger interessant?

Weil man an diesen beiden Tagen bei den Olivenöl-Abholtagen in Wilstedt viel engagierte, gerade auch junge Menschen treffen kann, die an ihren Erzeuger-Verbraucher-Ideen arbeiten und sie dort präsentieren. Zudem lässt sich dort die Gegenbewegung zum Olivenölbetrug treffen, bei der sich auf beste sensorische und gustatorische Weise erleben lässt, warum die EU-Olivenölverordnung abgeschafft gehört. Oliviers aus Spanien, Italien und Griechenland stellen sich dabei gern dem Gespräch den Verbrauchern und neugierigen Bloggern.

Da stimmt wohl etwas nicht: im Handel geht viel mehr Olivenoel über den Tresen als produziert wird

Da stimmt wohl etwas nicht: im Handel geht viel mehr Olivenoel über den Tresen als produziert wird

Stichwort Olivenölbetrug: Als ich in ihrer Zeitung »auskünfte 2016« die Grafik von Olivenölproduktion und -handel gesehen habe, war ich sprachlos. Sie wollten ja gleich mit einer Petition die ganze EU-Olivenöl-Verordnung abschaffen….

Früher nannten wir das: mach kaputt, was dich kaputt macht! Heute ist das immer noch richtig, nur wählen wir dafür Formen, die unseren Erfahrungen aus 45 Jahren »Widerstand« und Anspruch auf das eigene Leben Rechnung tragen. Die EU-Olivenölverordnung ist in ihren vielfachen »Reformen« über die Jahre nahezu die legalisierte Perfektion des schon immer herrschenden Olivenölbetruges geworden, mit dem sich die mafiösen Strukturen des Olivenölhandels, wie auch deren Protagonisten aus der Dunkelheit ans Licht bewegt. Ihr Betrug ist nun weitgehend keiner, der juristisch belangt werden kann, weil mit der EU-Olivenölverordnung nahezu Gesetzesgrundlage geworden. Damit wurde die Herstellung einer Erzeuger-Verbraucher-Konzeption schwer eingeschränkt, weil zum Beispiel jede Form der individuellen Produktpräsentation, also die Herstellung der Transparenz vom Ursprung des Erzeugers bis zum Endprodukt für den Verbraucher gesetzlich untersagt wurde. In den Erläuterungen zu der Petition habe ich das in epischer Breite ausgeführt, was dort nachzulesen ist.

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Es bleibt uns im Moment dazu nicht viel mehr als Öffentlichkeit herzustellen, dass ein Gesetz, welches durch vielfache Reformen die Legalisierung des Betruges geschaffen hat, nicht mit einer Quasi-Gegenreform aus der Welt zu schaffen ist. Es steckt ja ein ganzes Netz von Beziehungen und »Seilschaften« dahinter, was jede entsprechende Reform mit ihren Lobbyisten zu verhindern weiß. Nein, es stellt sich hier die Systemfrage im generellen, daher die Forderung nach Abschaffung, es bedarf hier eines Neuanfangs. Auch wenn die Petition das nicht erreicht hat, so hatte ich diese Hoffnung auch nicht. Als wir mit der Forderung »AKW-nee« begannen, konnte sich keiner vorstellen, dass es mal die »Schwarzen« sein werden, die sie abschalten würden. Wer Dinge verändern will, benötigt einen langen Atem und muss bereit sein dicke Bretter zu bohren. Wir haben die Petition daher wieder aktiviert, wer weiß, wann die Zeit dafür reif ist.

Lieber Conrad Bölicke, wir bleiben am Ball – und Dank für das Gespräch…

Exquisites Olivenoel der Geschwister Librandi - aus Bio-Anbau und sortenrein aus Frantoio Oliven

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Zur Person:

Der Lebenslauf von Conrad Bölicke liest sich wie die Vita eines viel im Leben herumgekommenen Schrifstellers:

Geboren in Berlin am 7.03.1951. Nach dem Realschulabschluß, Maurerlehre, danach Brief- und Postzusteller, zeitgleich zweiter Bildungsweg Abendgymnasium an der Volkshochschule Charlottenburg mit Abi-Abschluss. Anschliessend Studium der Werkstoffwissenschaften an der TU-Berlin, insgesamt 21 Semester kreativer politischer und journalistischer Arbeit, nebenher die Absolvierung des Abschlusses als Diplom-Ingenieur. Als wissenschaftlicher Angestellter an der TU-Berlin in der Transfereinrichtung „KuBuS“ Kontakt und Beratungstelle für Umweltfragen tätig, insbesondere für die Belange von Bürgern, Bürger- und Umweltinitiativen und kleinen Unternehmen. Hernach drei Jahre unbezahlte Beurlaubung für Kindererziehung und Umzug von Berlin nach Wilstedt bei Bremen.Geschäftsführer der Berliner Teekampagne, freiberuflicher Consulter für Umwelt und Aspekte des Wandels der Arbeit, Gründung von arteFakt, seither Geschäftsführer der Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen GmbH.

Und hier die Links:

Hier findest Du alles, was du über die »Olivenöl-Abholtage« in Wilstedt wissen musst

Wer ist alles am Start? Wirf einen Blick in die Aussteller-Liste!

Du hast – wie ich – kein Auto. Nimm doch einfach den arteFix-Bus, entweder ab Hamburg oder ab Bremen. Platzresevierung erforderlich!

Veröffentlicht am 12.04.2016

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