Ohne Worte

Die Situation bringt das Beste und das Schlechteste in uns hervor – eine Kollegenschelte im Rahmen von #bloggerfuerfluechtlinge

Ehrenamtliches Engagement wie derzeit in den Messehallen in HH ist toll - aber keine Lösung

Ehrenamtliches Engagement wie derzeit in den Messehallen in HH ist toll – aber keine Lösung

»Die Flüchtlingskrise zeigt die Stärke des Bürgers« steht über einem Artikel. Jawoll, denke ich. Kann ich unterschreiben. Weiß ich aus eigener Erfahrung. Spenden, Ehrenamt, Ringen um die richtige Haltung, wenn im Viertel holterdipolter Menschen integriert werden müssen. Das ist etwas Neues, so noch nie Erlebtes, daraus könnte etwas werden. Dann aber dieser Satz:

Natürlich wird der Staat weiter gebraucht, allem voran, wenn es um innere Sicherheit, Bildung und Rechtsstaatlichkeit geht, aber der automatische Etatismus, die Entmündigung durch Regulierung und Verbote, die Bevormundungsroutine sollte durch das neue Sommermärchen infrage gestellt werden. Die Deutschen müssen runter von der Staatsdroge, und sie sind bereit für den Entzug. (Link unten)

Schon möchte ich um mich beißen wie ein tollwütiger Hund. Geht’s noch? WELCHES SOMMERMÄRCHEN? WELCHE STAATSDROGE? WELCHE BEVORMUNDUNGSROUTINE? Ich nehme diesen Artikel mal pars pro troto, als Teil, der für das Ganze steht. Er steht für den ganzen aufgeblasenen Medienhype der letzten Tage, der meint, einordnen zu können, wo wir gerade stehen, und lenken zu können, in welche Richtung wir uns am besten bewegen sollten. Das geht aber nicht. Weil es keine Frage von Worten, sondern von Taten ist.

Wir sind der Staat

Meinungsmache ist das, was wir  jetzt am wenigsten brauchen. Viele Journalisten sind Schreibtischtäter. Sie polarisieren gern. Ihre  Informationen beziehen sie zumeist aus anderen Medien – allen voran BILD. Schon die Hysterie nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo hat gezeigt, dass manche Redaktionen die Bodenhaftung komplett verloren haben. Man muss nur einmal die imperiale Architektur des SPIEGEL betreten haben, um zu wissen: hier schwebt man in einem Raumschiff und kriegt kaum mit, was unten auf der Erde wirklich passiert. Ich bin selbst Journalistin. Ich kenne die Allmachtsphantasien, die einen beflügeln, wenn man mit einer besonders scharfen Formulierung meint, für einen Moment die Deutungshoheit an sich gerissen zu haben. Aber dieses Rumgeschwafel vom »schlanken Staat» muss aufhören!

Ich weiß, pfui, Kollegenschelte. Aber es geht nicht, sich als allein flüchtende Palästinenserin verkleidet ein paar Tagen in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu langweilen, nur um dann in der Rolle der »investigativen Journalistin« mitzuteilen, dass laminierte Hinweisschilder in allen Sprachen der Welt gefehlt hätten. Was soll denn die eigentliche Botschaft sein? Dass die dort arbeitenden Mitarbeiter ihren Job nicht gut machen? Dass der dafür zuständige öffentliche Dienstleister es nicht kann? Das »Privat vor Staat« die Lösung ist, wie in Italien, wo sich mittlerweile die MAFIA um die Betreuung flüchtender Menschen kümmert? Viel zu wenig »Humankapital» hat den Agenda21-Kahlschlag im sozialen Sektor überlebt. Überall fehlen derzeit qualifizierte festangestellte Arbeitskräfte – in den Einrichtungen, in den Schulen, in den Krankenhäusern. Das passiert nunmal, wenn man eine Volkswirtschaft mit betriebswirtschaftlichen Mitteln führen will – wie vom Mainstream-Journalismus gefordert.

Schreibt die Hinweisschilder gefälligst selbst! Oder sucht nach Wegen, wie die »investigativ aufgedeckten« Missstände ohne viel Tamtam zu beheben sind. Nicht die anderen (aka die Behörden, die Politiker, das System) sind der Staat, sondern wir alle sind der Staat. Action speaks louder than words. Noch nie war der Satz so wahr wie heute.

Und hier die Links:

Na toll ein paar Tage Undercover in einer Flüchtlingsunterkunft

In Teilen kann ich das sogar teilen – Die Flüchtlingskrise zeigt die Stärke des Bürgers

Don’t believe the Hype: Den Schalter einfach umgelegt – die Nachdenkseiten über die BILD-Zeitung

Veröffentlicht am 11.09.2015

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