Quinoa, von Gärtnern auch Gemüsemelde genannt, gedeiht jetzt auch in Schleswig-Holstein

Quinoa aus Deutschland, 200 g, Bohlsener Mühle, Vollkorn-Qualität
Wer hat Angst vorm Gänsefuss?
Wenn man das angebliche »Superfood« Quinoa recherchiert, stößt man nicht überall auf Euphorie. Besonders die Paleo-Community, von Haus aus mißtrauisch gegenüber Getreide, ist nicht ganz so begeistert wie der Rest der Welt. Dabei stammt Chenopodium quinoa gar nicht aus der Familie der Süssgräser, aus welcher die meisten Getreidearten kultiviert wurden. Sondern kommt aus dem Reich der Fuchsschwanzgewächse. Und ist daher mit Spinat, Mangold und Rote Bete verwandt. Wer sogar noch tiefer im botanischen Stammbaum gräbt, landet schließlich bei der Pflanzengattung der Gänsefüsse. Now we talk! Spätestens hier kommen wir Hobbygärtner ins Gespräch. Das weltberühmte Andenkorn ist eine Melde, Baby! Damit zählt es zur Schar jener unverwüstlicher Kräuter, deren Samen vom Acker rüber in deinen Garten wehen, nur um sich dort ungeniert und ungebeten breit zu machen. Aber darum geht’s hier jetzt nicht.
DIY Quinoa
Denn auf genau dieses Durchsetzungsvermögen setzt die Bohlsener Mühle mit einem lobenswerten Regionalprojekt. Unter dem Motto »Sieben Köpfe – eine Idee« hat sich eine Truppe Bioland-Bauern aus Schleswig-Holstein aufgemacht, die südamerikanische Gemüsemelde auch im hohen Norden anzubauen. Damit die Idee unters Volk gestreut wird, werden derzeit Quinoa-Samentütchen verteilt. Natürlich mit Hintergedanken. Auf dem Tütchen ist zu lesen, dass alle, die es nicht bis zur eigenen Ernte abwarten können, das Pseudogetreide in den Regalen einschlägiger Biomärkten oder Reformhäusern finden können. Mit fetter Herkunftsangabe »Aus Deutschland« kostet die 200 Gramm-Vollkorn- Packung im Vergleich zwar etwas mehr als die Südamerikaner. Aber das ist es wert, wenn man Ernst machen will mit »bio und regional ist erste Wahl«.

Diese kleinen Nüsslein werden in Paleo-Bowls gar nicht gern gesehen
Zurück in die Steinzeit
Doch nun zurück zu den Bedenkenträgern. Wie eingangs erwähnt, raten Fans der steinzeitlichen Ernährung zu äußerster Zurückhaltung beim Verzehr kohlenhydratreicher Lebensmittel. Der menschliche Organismus sei an derartige Nahrung nicht angepasst, so lautet die Theorie der Paleos. Sie behaupten, dass eine eiweiß- und fettreiche Ernährung à la Jäger und Sammler für unser Wohlbefinden besser geeignet sei. Davon mag man halten, was man will. Doch meist lohnt sich die Beschäftigung mit den Argumenten der Urkost-Fans: in der Regel sind sie sehr kritisch und haben oft interessante Infos im Köcher. Zum Beispiel hat sich eine Autorin des Paleo-Blogs Grasfed Girl ausführlich mit den Nachteilen von Quinoa beschäftigt. Dabei geht sie vor allem auf die Rolle der Saponine ein. Diese bitter schmeckenden Substanzen sind in den Schalen der Körnchen in großer Menge enthalten – zur Abwehr gegen Insektenfraß.
Oh Schreck, Saponine…
Grasfed Girl-Autorin Coco Noel berichtet, dass Saponine auch in Impfstoffen stecken. Ihre Aufgabe sei es, Schleimhaut zu überwinden, um die Vakzine besser in die Zellen einschleusen zu können. Tatsächlich wird die Quinoa-Schale in Peru, Bolivien und den anderen Andenländern, in denen die Pflanze traditionell angebaut und gegessen wird, vor dem Verzehr entfernt. Gleichwohl bietet die Bohlsener Mühle ihre norddeutschen Körnchen in Vollkorn-Qualität an. Also ungeschält. Wie kommt’s? Anette Makus, die für die Mühle die Pressearbeit macht, schreibt dazu: »Normalerweise muss Quinoa wegen des Bitterstoffs Saponin gewaschen und abgerieben werden. Die Sorte, die wir für den Anbau verwenden, enthält nahezu keine Saponine und muss deshalb nicht gewaschen und abgerieben werden.« Bei diesem Punkt sind wir also schon mal auf der sicheren Seite.
…und außerdem Lektine
Das »Gold der Inkas« enthält aber noch andere, potentiell problematische Stoffe: und zwar die Lektine. Manche dieser weit verbreiteten Eiweißverbindungen stehen im Verdacht, das Leaky Gut- Syndrom zu verursachen. Felix Olschewski vom Blog Urgeschmack lässt sich über die Anti-Nährstoffe erschöpfend aus, deshalb wollen wir uns an dieser Stelle nicht auch noch in den Sachverhalt vertiefen. Denn es gibt gute Nachrichten: Mit ganz einfachen Mitteln lassen sich die Saponine, Lektine und auch Phytinsäure aus den Körnern entfernen! Und so geht’s:
- Saponine auswaschen: Körnchen in einem engmaschigen Sieb spülen, bis nichts mehr schäumt. Dann nach Angaben des Herstellers kochen.
- Lektine weitgehend entfernen (zu 100% geht’s nicht): Quinoa über Nacht einweichen. Je nach Menge einen Teelöffel bis einen Esslöffel Apfelessig oder Zitronensaft hinzugeben. Einweichwasser weggießen. Nochmal spülen und nicht nach Angaben des Herstellers kochen. Sondern die Kochzeit etwa um 10 Minuten verkürzen.
- Für Fortschrittene: Vorkeimen. Dazu Quinoa ohne Zugabe von Säure mehrere Stunden in Wasser legen. Danach abtropfen lassen und gleichmäßig auf einem Teller/ Papiertuch verteilen. Stehen lassen, bis sich erste Sprossen bilden. Ebenfalls die Kochzeit verkürzen. Zwischendurch testen, ob die Körner gar, aber bissfest sind.

Quinoa isst man wie Reis als Sättigungsbeilage und es schmeckt nussig lecker im Salat oder Wrap
Fragwürde Rolle im Weltmarkt
Für den Fall, dass du auch noch das letzte Fitzelchen Gesundheitswert aus deiner Nahrung rauskitzeln möchtest, kannst du die oben genannten Tricks außer bei Quinoa auch bei anderen Getreiden, Saaten oder Nüssen anwenden. Probiere sie ferner aus, wenn du unter Reizdarm oder Weizensensitivität leidest. Quinoa ist glutenfrei und wird, etwa im Verbund mit Reis, zu Nudeln und anderen Leckereien verarbeitet. Für einen Mythos halte ich es, dass vegan lebende Menschen ihren Eiweißbedarf mit dem angeblichen »Superfood« decken können. Nüsse und Hülsenfrüchte machen den Job sehr viel besser. Zum Schluss sei aber noch ein anderer Grund erwähnt, weswegen wir Quinoa in den Rang eines seltenen genossenen Luxusprodukts erheben sollten: die Rolle, die es auf den Weltmärkten spielt. Unter der Überschrift »Quinoa Preise als sozialer Sprengstoff« findest du viele Aspekte, die für einen zurückhaltenden Konsum sprechen. Wer auf sich hält (#Woran leide ich? #Unter Haltung!) kauft Ware, die aus kleinbäuerlichen Strukturen stammt. Ein anderer Weg: Lege ein paar Cents mehr hin und unterstütze das Quinoa-Projekt der Bohlsener Mühle.
[Dies ist übrigens KEIN sponsored Post, falls du dich das gerade fragst…]
Und hier die Links:
Du bist botanisch interessiert? Dann sprich ganz langsam Chenopodioideae, während du den Link zu den Fuchsschwanzgewächsen öffnest
Bitte hier entlang zum Quinoa-Nährwertrechner
Immer noch die mir liebste Paleo-Seite – mit schönem Gruß
Falls dir mal Ackermelde oder weißer Gänsefuss in freier Wildbahn begegnet – so erkennst du ihn. Bereitet man dessen Blätter wie Spinat zu, schmecken sie ganz köstlich
Veröffentlicht am 09.03.2017