Auch wenn die Headline bescheuert ist – Buchweizen hat tatsächlich sagenhafte Qualitäten
Was tut man nicht alles für die Suchmaschinen? Eigentlich hätte die Headline »Heimisches Superfood« heißen sollen. Gleich zwei Megatrends wären damit abgedeckt: im Verbund mit dem hippen »heimisch« hätte das affige Wort »Superfood« den glutenfreien (23 Ausrufezeichen) Buchweizen noch begehrlicher gemacht. »Heimisch«, das ist ja etwas ungeheuer Rares. In der analogen Welt fahndet man mit detektivischer Akribie danach. Beispiel Buchweizen: Spießberger bezieht ihn aus Tschechien, Davert aus China. Es dauert ein paar Tage, bis man das Pseudo-Getreide aus deutschem Anbau (Rapunzel) ausgerechnet bei Edeka entdeckt.
Kurzum:
Das genaue Hinschauen auf die Reformwaren- und Bio-Lebensmittel-Branche ist wie ein unangenehmes Erwachen aus einem schönen Traum. Vorstellungen von »heimisch« und »wie früher« halten sich hartnäckig. Das soll auch so, damit werden gute Geschäfte gemacht. Aber die mit viel »Liebe« garnierten Marketingbegriffe sind verschwommen und haben mit der Realität nichts zu tun – liest du mal dieses Buch. Wenn wir Verbraucher unsere Marktmacht einsetzen und auch hierzulande die Rückkehr kleinbäuerlicher Strukturen fördern wollen, müssen wir das Kleindgedruckte und die Herkunftsangaben unserer Einkäufe lesen. Nachfragen hilft!
Angesichts einer zarten Buchweizenblüte ist klar, dass der Anbau in heimischen Gefilden sich nicht rechnet. Die Samen des Knöterichgewächses Fagopyrum esculentum gedeihen auf sandigen, nährstoffarmen Böden. Einst war der Anbau in Deutschland weit verbreitet, aber mit dem Aufkommen von Kunstdünger wurden nährstoffarme Flächen zur Ausnahme. Der Extrembotaniker Jürgen Feder behauptet, heute befinde sich mehr Stickstoff in der Luft als in den 1930er Jahren auf die Felder ausgebracht wurde. Das macht genügsamen Pflanzen das Leben schwer – und für die heimischen Bauern scheint sich die Kultivierung eh nicht zu lohnen. Erst der glutenfrei-Hype oder die Nachfrage nach echtem »heimisch« könnte das ändern.
Die Gesundungspflanze
Trotz allem ist Buchweizen von deutschen Feldern nicht verschwunden. Im Gegenteil: Imkern dient er als hervorragende Bienenweide, in der Fruchtfolge verbessert er als »Gesundungs«- und Zwischenpflanze die Bodenqualität und trägt zum Erosionsschutz bei. Dabei macht man sich eine seiner erstaunlichsten Fähigkeiten zunutze: Buchweizen unterbricht den Entwicklungszyklus parasitärer Fadenwürmer, die insbesondere im Gemüseanbau Schäden verursachen. In der traditionellen chinesischen Medizin TCM ist überliefert, dass dies nicht nur für Böden gilt. Rohes Buchweizenmehl, mit Wasser zu einem Brei verrührt, wird als gutes Gegenmittel empfohlen, wenn der menschliche Körper von Würmern befallen ist.
Willst du ein braves Kind…
Dass man sich in Asien so gut mit dem glutenfreien Knöterich auskennt, verwundert nicht. In Japan heißen Buchweizennudeln »Soba« und sind sehr beliebt. Grütze aus geröstetem Buchweizen nennt sich in Russland »Kasha«, ein delikater Pfannkuchen aus Buchweizenmehl »Blini», in Frankreich heißt er »Galette«. Aveline Kushi, »Godmother Of Makrobiotik« schreibt in ihrem Großen Buch der makrobiotischen Küche: »Medizinisch unterstützt Buchweizen die Entwässerung des Körpers. Er ist besonders wärmend im Herbst und Winter.« Dem Pseudo-Getreide sagt man eine der Feuerenergie entgegengesetzte Wirkung nach. In Symptome übersetzt heißt das: Es soll zu hohen Blutdruck senken können. In der traditionellen Chinesischen Medizin TCM wird er auch als Mittel zur Heilung von Verstopfung angesehen, die durch erweiterte Därme (Yin) entstanden ist. Ganz allgemein empfehlen Makrobioten und TCMler einen regelmäßigen Buchweizenverzehr zum Aufbau einer starken Kondition. Legendär ist ein Zitat, das von dem »Godfather Of Makrobiotik« George Ohsawa überliefert ist: »Willst du ein braves Kind, gibt ihm keinen Buchweizen.«
Gute Nachricht: Auch hierzulande ist das Wissen um die Heilkraft von Fagopyrum esculentum nicht ganz verloren. Im Reformhaus zirkulieren sogar Kapseln gefüllt mit Rutin. Rutin ist ein Stoff, dem man eine gefäßregenerierende Wirkung zuschreibt. Es soll die Elastizität von Blutgefäßen, Kapillaren und Venen erhöhen und die Durchblutung in den Gehirngefäßen stabilisieren – wie etwa Gingko. Buchweizen ist reich an Vitamin B1, B2, E, enthält Pantothensäure, Niacin, viel viel Kalium und wertvolle Spurenelemente wie zum Beispiel Selen und Molybdän.
Glutenfreie Morgenmahlzeit
Wer im Herbst und Winter wieder mehr Appetit auf einen gekochten Frühstücksbrei verspürt, ist mit diesem Rezept gut bedient.
Zutaten:
- 2 Tassen Buchweizen
- 3 Tassen Reismilch
- 1 Prise Salz
- geraspelte Zitronenschale (1/2 Zitrone)
- 1 gute Prise Zimt
Den Buchweizen vor dem Kochen sorgsam mit warmen Wasser spülen, das löst ein wenig die Schleimstoffe. Trotzdem wird sich beim Kochen noch viel blasiger, rötlicher Schaum bilden. Man kocht ihn in Wasser wie Reis: 1 Teil Korn, 2 Teile Wasser. Auf höchster Stufe kochen, bis das Wasser zu zwei Dritteln verdampft ist, dann auf die allerkleinste Stufe schalten. Deckel drauf sobald sich die Balsenbildung beruhigt hat und 20 Minuten ausquellen lassen.
Buchweizen hat einen nussigen, erdigen Geschmack. Weil er glutenfrei ist, lassen sich keine Brote nur aus Buchweizen backen – aber der Knöterich steckt häufig in glutenfreien Brotbackmischungen.
Und hier die Links:
Exkurs Leinsamen: eine Fundstelle für Leinsaat aus Deutschland, Vertrieb Grell Naturkost. Angebaut wird hier
In Hamburg gibt es in cirka zwei Geschäften »heimische« Leinsaat bei Erdkorn-Volksdorf und bei Edeka Kraus, Eppendorfer Landstraße geben; werde berichten
Einen ziemlich interessanten Artikel über Bio aus China gibt es hier
Wer sich weiterführende Gedanken über unseren unstillbaren (Discount)-Bio-Hunger machen will, zieht sich das hier rein
Last but not least ein Link zu einem spannenden Youtube-Video (Galileo/ Pro Sieben)
Veröffentlicht am 06.09.2015
Hallo Frau Zenz,
danke für den interessanten Artikel! Ich habe mir gerade letztens Buchweizen gekauft um glutenfreie
Buchweizenwaffeln zu backen. Lecker waren die :)
Übrigens funktioniert ihr Link (liest Du mal dieses Buch) bei mir nicht und ich glaube in dem Rezept
unten meinen Sie eigentlich nur 1 Tasse Buchweizen und 2 Tassen Reismilch? Ich denke, es wird sonst
etwas üppig?
Derzeit experimentiere ich gerade mit Hafer (ganzes Korn) von Alnatura, eine Art Tabouleh habe ich damit
schon fabriziert und die Rote-Bohnen-Burger damit angereichert. Sehr lecker!
Eine gute Zeit wünsche ich Ihnen :)
Hallo Frau Zenz!
Vielen Dank für Ihre Verbesserungsvorschläge, dafür bin ich immer dankbar. Der Link funktioniert jetzt – offenbar geht’s nicht, wenn man eine Textpassage in Klammern setzt.
Bei dem Rezept bleibe ich bei den 2 Tassen Buchweizen – aber man kann sehr gut 3 Tassen Reismilch dazu geben. Vielleicht ist mein Magen größer als der Ihrige?
Mit Dank und Gruß,
Kirstin Ruge
PS: Hafer finde ich auch toll, gerade im Winter. Sehr lecker, wenn man kurz Äpfel mitdünstet und mit Zimt abschmeckt….
Ja. So ein Buchweizenfeld ist ein reines Insektenparadies. In der Bretagne steht neben jeder Apfelplantage meist auch ein Buchweizenfeld. Buchweizen darf übrigens nicht gedüngt werden. Dann geht er kaputt, bzw. wächst nicht. Das haben die Bretonen Anfang der 70er gelernt, als sie ihre Felder düngten und kein Buchweizen mehr wuchs. Erst als die Felder jahrelang brach lagen, konnte wieder Buchweizen angebaut werden. Buchweizen ist daher von natur aus Bio. Am Besten schmeckt er übrigens knusprig gebacken als Galette ;)