Maurice Maggis Kochbuch »Essbare Stadt« ist unverzichtbar für alle, die sich in die Wildkräuter vor ihrer Haustür verliebt haben
Wildkräuter sammeln im Park
Kräuter sammeln: Bei Sonnenfinsternis hat das was Existenzielles. Eben noch zwitscherten die Vögelein, wehte ein laues Lüftchen, zwackte die Hand behutsam ein Blättchen vom Giersch – und schon, kaum hat sich der Mond minimal vor die Sonne geschoben, kriecht Eiseskälte in die Luft als wäre Voldemorts dunkles Mal am Firmament erschienen. Der Himmel bewölkt sich in Windeseile, die Sonne denkt nicht ans Wiederkommen, statt berstendem Frühling nebliger Herbst. Wären da nicht die unerschrockenen Kräuter. Gundermann wandert mit seinen kriechenden Wurzeln neuen Ufern entgegen. Wilde Johannisbeere blättert ihr zartestes Grün auf. Brennesseln bieten sich der Sammlerin dar, welche First Flush Fine Picking-mäßig nach den ersten beiden Blättern greift. WENN DAS NUN ALLE MACHEN WÜRDEN!!! Dann wäre die Auswahl städtisch essbarer Genüsse vermutlich noch geringer, als sie ohnehin schon ist. Wer zum Beispiel – ich spreche von Hamburg – eine der seltenen Bärlauch-Fundstellen entdeckt, tut gut daran, hier maßvoll zu ernten – damit für nächstes Jahr oder für andere auch noch was bleibt. Mit Giersch, Knoblauchrauke, Brombeeren, Nesseln und anderen hat man jedoch genug robuste Vertreter, die den Wildkräuter-Hype sicher gut überstehen.
Einer, der es richtig kann
Maurice Maggi umweht der Charme des Pioniers. Der Schweizer ist Guerilla Gärtner der ersten Stunde. »Bewegt sich ausschließlich im urbanen Raum, gerne da, wo noch etwas grünt «, sagt er über sich selbst. Seine Stationen: Zürich (hier gilt er als »König der Malven«, weil er deren Samen großzügig überall verteilt), Kloten, Lugano, New York. In seinem Kochbuch ESSBARE STADT – Wildwuchs auf dem Teller – Vegetarische Rezepte mit Pflanzen aus der Stadt, erschienen im AT Verlag, ordnet er seine köstliche Wildpflanzen-Küche nach Jahreszeiten. Was auch Sinn macht: Im Frühjahr gibt es in unseren Breiten nun mal keine Walderdbeeren. Dafür aber junge Brennesseln oder Giersch, Löwenzahn oder die Triebe vom wilden Hopfen. Maggis ESSBARE STADT ist ein Buch, das den der Natur entfremdeten Städter in ästhetisch anspruchsvoller Weise an die Hand nimmt. Die fantastischen Fotos stammen von Juliette Chrétien, die Illustration und das Styling von Mira Gisler und die Grafik hat Boris Périsset zu verantworten (alle Links unten). Kräuter – jedenfalls die wichtigsten – und alle Macher sind mit einem Steckbrief identifizierbar. Die Rezepte hören auf mundwässernde Namen wie »Berberitzen-Malfatti«, »würzig-feuchter Kürbiscake« oder »Lavendelsauerrahm«. Es gibt ein Glossar. Außerdem macht es dem Buch nichts, wenn es runterfällt. Es steckt mit offener Fadenbindung zwischen zwei derben Pappdeckeln – ein Traum für jeden, der ein Faible für handwerklich gut Gemachtes hat.
Und hier die Links:
Falls du mal in der Schweiz bist und Maurice Maggi persönlich kennenlernen willst
Das Buch ist in Zusammenarbeit mit Juliette Chrétien entstanden, kostet 39,90 € und ist im AT-Verlag erschienen
Hier geht es zum Studio von Juliette Chrétien
Sehr gekonnt: Illustration und Styling von Mira Gisler
Boris Périsset gehört zum Team FEINHEIT, die man sich sowieso merken muss
Veröffentlicht am 20.03.2015
Hallo Frau Ruge,
Katharina Henne und ich haben inzwischen Hamburg als essbare Stadt entdeckt und ein Buch zum Sammeln in HH geschrieben: Hamburgs Wilde Küche. Frei nach dem Motto: die Arten, die man bei uns in der Großstadt sammeln kann (weil häufig und leicht zu erkennen) kann man überall sonst in Norddeutschland erst recht finden. D.h. nicht nur hier zu gebrauchen. Wir verstehen unser Werk auch deutlich nicht nur als Kochbuch, sondern ein Buch zum Genuss der Jahreszeiten, den nachhaltigen Umgang mit der eigenen Natur vor der Haustür und den Einsatz aller Sinne im Alltagsleben.
Wir finden es schön, dass es inzwischen so viele Gleichgesinnte gibt
In diesem Sinne: Das Leben ist schön.
Ach toll – schau ich mir nachher mal in Ruhe an. Eine Frage: Wissen Sie, wo bei uns in HH die Süßdolde wächst?
Süßdolde kenne ich nur aus Gärten, z.B. Umweltzentrum Gut Karlshöhe
Ah danke! Da kann ich mir sie mal anschauen…ist ja eigentlich eine Gebirgspflanze, soll aber oberlecker sein…
Ich empfehle zarte und junge Früchte, kannste alle Katjes vergessen. Zart lakrizig!